2019-04-28 | Wo steckte Thomas?

Pastor Bernhard Söbke stellte im Sonntagsgottesdienst eine ungewöhnliche Frage. Wo steckte Thomas, als alle anderen Jünger sich im Davidssaal versammelt hatten und Jesus erschien?

Söbkes Theorie: Thomas war draußen; bei den Menschen; er wollte wissen, was dort nach der Osternacht vor sich ging, und er wollte den Menschen auf der Straße nahe sein, die mit den Geschehnissen allein waren.

Er hatte sich quasi selbst entsendet, während die Jünger im Saal sich vorerst selbst genügten.

Pfarrer Bernhard Söbke.

Thomas war schon immer der, der alles genau wissen wollte und sich traute, was andere sich nicht trauten. Als Jesus seinen Jüngern einmal sagte, dass er zum Vater gehen werde und sie den Weg zu ihm ja wüssten, war es Thomas, der nachhakte: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg finden?“

Die anderen kannten den Weg genauso wenig wie Thomas. Aber sie hinterfragten nichts. Sie waren die schweigende Mehrheit, die sich für einen flüchtigen Moment klüger und überlegener fühlen durfte als Thomas, der Zweifler und Frager. Die anderen riskierten lieber, den richtigen Weg zu verfehlen, als offen nachzuhaken. Sie wollten sich nicht blamieren und schon gar nicht isolieren.

Dann kam der Tag, an dem der Auferstandene seinen Jüngern im Davidssaal erschien und Thomas nicht vor Ort war.  Als seine Kameraden ihm später die Geschichte erzählten, zweifelte er. Mal wieder. Unsäglich, dieser Thomas?

Pastor Bernhard Söbke, offenbar ein Sympathisant dieses Zweiflers, stellte eine zweite Frage: „Warum wurde Thomas eigentlich Didimus genannt: der Zwilling?“

Vielleicht, so zitierte Bernhard Söbke einen Gedanken, weil er in uns Zwillingsgeschwister hat. Auch manche von uns sind Menschen, die zweifeln, die nachhaken und alles genau wissen möchten, um buchstäblich zu begreifen wie Thomas, der seine Finger in die Wunden seines Meisters legen wollte. Auch Menschen heute möchten Finger in Wunden legen, auch in die Wunden unserer kleinen und in die Wunden der großen, weiten Welt, um zu verstehen.

Am Ende sprach ausgerechnet dieser Thomas das kürzeste Glaubensbekenntnis aller Zeiten: „Mein Herr und mein Gott“,

sagt herzlich eure
Turmflüsterin