2019-05-25 | Europa zur gemeinsamen Sache machen

Was hat die Europawahl mit Andreas Voßkuhle zu tun? Und was eint die Bischöfe mit der demonstrierenden Jugend auf der Straße? Sehr viel! Darum sollten wir Sonntag die Wahllokale fluten.

Fangen wir mal ganz gediegen an. Europa zur gemeinsamen Sache machen! Unter diesem Leitwort rufen der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx dazu auf, an der Europawahl am Sonntag, 26. Mai 2019, teilzunehmen (siehe PDF-Datei).

Vor wenigen Wochen hatten sie erklärt: „Wir Kirchen bekennen uns ausdrücklich zur Mitverantwortung für unsere Demokratie als politische Lebensform der Freiheit und zur EU als einem erfolgreichen Modell für Multilateralismus. Gerade in diesem Sinne brauchen wir wieder mehr Vertrauen in den Prozess der europäischen Integration und den politischen Willen, die Europäische Union weiterzuentwickeln, um Frieden, soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu stärken und den Menschen zur Freiheit und zu einem guten Leben zu verhelfen.“

Vor wenigen Tagen hat Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, im Fernsehen Fragen zu einem anderen politischen Ereignis dieser Tage beantwortet: zum Jubiläum „70 Jahre Grundgesetz“. Auch er hatte die Bedeutung von Gerechtigkeit und Freiheit betont. Ein Voßkuhle-Satz lautete: In einer Demokratie entscheide die Mehrheit über alle anstehenden Fragen; unabdingbar dafür sei, dass die Minderheit vorher ausreichend Möglichkeit gehabt habe, selbst „zur Mehrheit zu werden“.

Auf den Punkt gebracht: Jede Mehrheitsentscheidung, der keine hinreichende Diskussion mit allen Pros und Contras vorausgegangen ist, schafft Ungerechtigkeit und Unfreiheit – und ist nicht demokratisch zustandegekommen.

Das gilt in der EU, in der deutschen Politik und in der Kirche gleichermaßen. Wer, wie von den Kirchen zur Europawahl gefordert, Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Bewahrung der Schöpfung will, muss im eigenen Alltag offen und transparent Diskussionen fördern und pflegen. Nur das festigt Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

In Deutschland wird endlich wieder heftig diskutiert – ausgerechnet angestoßen von einer Bevölkerungsgruppe, der kaum jemand politischen Widerspruch zugetraut hatte: von der Jugend. Das ist eine sehr gute Nachricht. Die Jugend will all das: Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und ganz besonders die Bewahrung der Schöpfung, kurzum, eine lebenswerte, eine menschliche Zukunft. Sie fordert sie mit ihren eigenen Mitteln: facettenreich, laut, offen und transparent für alle auf der Straße und auf eigenen (digitalen) Kanälen.

Eine bessere Antwort auf den Populismus dieser Zeit konnte es kaum geben.

Und einen besseren Weckruf ebenfalls nicht. Auch die Kirche hat ihn nötig. Sie kann von den Mitteln der Jugend, ihrer Beharrlichkeit, ihrem Mut, ihrer Bereitschaft sich zu informieren und offen zu debattieren, eine Menge lernen,

sagt herzlich eure
Turmflüsterin