Ehrenbrink, Johannes | Pfarrer

2016-05-09-geburtstag-je_1Am Sonntag, 13. November 2016, feierte Pfarrer Johannes Ehrenbrink sein 40-jähriges Priesterjubiläum. Dabei hatte das Kind als Volksschüler einen anderen Weg einschlagen sollen.

Als Johannes in Hagen am Teutoburger Wald aufwuchs, konnte er vom niedersächsischen Bergland aus Richtung Osnabrück schauen (wo der Bischof seinen Sitz hatte) und hinter allen Bergen die ostfriesische Tiefebene ahnen, in die er eines Tages verschlagen werden sollte.

Kleinkind Johannes schaut in die Welt.

Kleinkind Johannes schaut in die Welt.

Aber beginnen wir weiter vorn. Johannes, geboren am 9. Mai 1951, besuchte im vierten Jahr die Volksschule in Hagen, als die Eltern beschlossen, den Jungen in dieser Einrichtung zu belassen, „wie es im Dorf üblich war.“

Ein Vikar hatte andere Pläne mit dem „relativ begabten Kind“ (O-Ton Johannes) und leistete bei den Eltern Überzeugungsarbeit.

Johannes durfte auf’s Carolinum in Osnabrück.

Gottseidank, möchte man sagen, denn im Priesterseminar wäre Johannes sonst kaum gelandet.

Die zehn Kilometer bis zum Gymnasium fuhr er mit dem Bus.

Sonntags ging er weiterhin mit seinen gläubigen Eltern, der Hausfrau Maria und dem Maurer Bernhard, in die Heilige Messe und unter der Woche oft in mehrere Andachten.

Zur Familie gehörten zudem seine beiden im Krieg geborenen Schwestern Gertrud und Maria. Der Vater war erst Ende der 1940er-Jahre aus russischer Gefangenschaft heimgekehrt.

Der erste Schultag.

Der erste Schultag für das „relativ begabte Kind“ Johannes.

Johannes blieb ein guter Schüler, bereitete sich im kleinen Klassenverband von nur 14 Jungen in einem abgelegenen Räumchen unter’m Schuldach auf das Abitur vor und wählte in der Oberstufe ab, was ihm nicht behagte: die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Physik und Chemie, auch Erdkunde und Mathematik. Er war stark in den Sprachen, in Griechisch, Latein und Deutsch, mochte Sport und – Religion.

Seinen Religionslehrer, einen Priester, hat er in bester Erinnerung, „ein ganz lieber Mensch“.

In der Dreizehn bekam die Klasse allerdings einen „scharfen Hund“ – so scharf, dass die Schüler geschlossen in einen Reli-Streik traten. Sie nahmen gegen alle Regeln nicht mehr am Religionsunterricht teil: ein Skandal.

Nur konnte der Direktor schlecht eine ganze Klasse von der Schule werfen.

Er ließ den Dauerstreik geschehen und bestrafte die Schüler auf seine Weise. Die Jungen durften 1970 nicht an ihrer eigenen Abiturfeier teilnehmen. Die Reifezeugnisse bekamen sie zwischen Tür und Angel ausgehändigt.

Reife hatte Johannes zu diesem Zeitpunkt längst in einem anderen Bereich gezeigt: Er engagierte sich während seiner Schulzeit in der Jugendarbeit. Zusammen mit einer fitten KJG-Gruppe gestaltete er die Sonntagvormittage nach der Messe als eine Zeit, in der sich Gemeinschaft ereignete. Die Jugendlichen erlebten, dass Kirche weit mehr vermochte, als rituell Gottesdienst zu feiern.

Johannes liebäugelte mit zwei Berufswegen. Er konnte sich vorstellen, „etwas Soziales mit Menschen zu machen“ oder Priester zu werden.

In Frankfurt am Main nahm er ein Philosophiestudium auf. Von Philosophie hatte er selbstredend gehört, aber „das war für mich eine völlig fremde Welt“.

Ganz nah dran an der konkreten, der pulsierenden Welt war er mit seiner ehrenamtlichen Arbeit in der Caritas. Er kümmerte sich um obdachlose Menschen. Wieder waren es Kinder und Jugendliche, für die er sich einsetzte. Johannes sah physisches und psychisches Elend, das er in dieser Schwere nicht gekannt hatte.

Er gestaltete die Freizeit für seine Schützlinge, schenkte den Kindern Wärme und gab ihrem Alltag Struktur; er unternahm mit ihnen Ferienfahrten und freute sich an einem erstklassigen Helferteam. Noch immer konnte er sich vorstellen, Sozialarbeiter zu werden.

Es war die hohe Zeit der Studentenunruhen. Er und seine Freunde suchten nicht die öffentliche, politische Bühne. Sie wollten handfest und konkret für eine bessere Welt streiten. So setzten sie sich für den Erhalt der kritisch-christlichen Zeitung Publik ein, die nah am Puls kirchlicher Basisbewegung berichtete.

Einige Mitarbeiter waren Studienkollegen von Johannes und persönlich betroffen, als die Zeitung unter Druck eingestellt werden musste.

1972 erlebten sie die Geburt der Nachfolgezeitung Publik-Forum, die bis heute kritischen und christlichen Journalismus pflegt.

Nach vier Semestern Philosophie wechselte Johannes für ein Auslandsjahr ins österreichische Innsbruck und begann ein Theologie-Studium.

Drei Männer im Schnee - während eines Freizeitsemesters in Innsbruck.

Drei Männer im Schnee – während eines Freizeitsemesters in Innsbruck.

Das Zweite Vatikanische Konzil wirkte heftig nach. „Wir sind voll darauf abgefahren“, sagt Johannes. Die Studenten wollten nah an den Menschen sein. Auch hier leistete er an der Seite von Freunden Jugendarbeit. Sie gedieh so gut, dass die Studenten, ungewöhnlich genug, ein drittes Semester in Tirol genehmigt bekamen…

… sehr zur Freude von Johannes, denn er mochte die Tiroler. „Das sind tolle Menschen.“ Er wohnte in einem Riesenpfarrhaus, in dem der leitende Geistliche sich locker vorgestellt hatte: „Ich bin Heinz, und meine Haushälterin heißt Herta.“

Mittags speiste Johannes in einem Schwesternhaus. „Da habe ich Abwaschen in großen Mengen gelernt.“

Nur mit der Pünktlichkeit hatten es die Tiroler nicht. Sie konnten nicht begreifen, warum ein Viertelstündchen Verspätung die Stirn von Johannes in Falten legte.

Dafür knuddelten sie gern. Johannes sagt heute: „Das Knuddeln hab‘ ich mitgebracht.“

Er und seine Freunde freuten sich an der „angenehmen Zeit“. Sie reisten viel, tuckerten mit einem Bulli nach Wien oder Salzburg. Das Auto war bei Nacht ihre Herberge.

Schließlich kehrte er nach St. Georgen Frankfurt zurück und absolvierte drei weitere Semester Theologie.

1975 bestand er  sein Examen. Er besuchte das Priesterseminar in Osnabrück und wurde zum Diakon geweiht. Er fand Doppelkopfpartner, die so leidenschaftlich gern spielten wie er.

Am 13. November 1976 feierte Johannes seine Priesterweihe. Das ausgestreckte Liegen im Altarraum als Zeichen von Demut und Hingabe an Gott und Amt beeindruckte Johannes tief.

Der Weihekurs im Priesterseminar.

Der Weihekurs im Priesterseminar.

Heimatprimiz 1976, in der Mitte Johannes, ganz links sein Heimatkaplan Hubert Heinelt.

Heimatprimiz 1976, in der Mitte Johannes, ganz links sein Heimatkaplan Hubert Heinelt.

1977 ging er als Kaplan für drei Jahre nach St. Paulus Meppen und wechselte 1980 nach St. Michael Papenburg. Er arbeitete intensiv mit Landjugend und Kolpingfamilie und organisierte den Umbau des Franziskus-Hauses: ein beliebtes Selbstversorgerhaus für Gruppen.

30 bis 40 Kinder konnten dort preiswert übernachten und eine tolle Zeit erleben. Johannes brachte einen Trägerverein auf den Weg, der über Jahrzehnte das Haus führte (ehe es 2002 aufgegeben werden musste).

Johannes leicht franziskanisch als junger Kaplan 1978 auf dem Markusplatz in Venedig.

Johannes leicht franziskanisch als junger Kaplan 1978 auf dem Markusplatz in Venedig.

1985 hatte Johannes sich fast darauf eingestellt, „auf immer und ewig“ im Emsland zu bleiben, als er unmittelbar vor einem Urlaub mit Freunden einen Anruf aus Osnabrück erhielt. Ehrenbrink würde als Pfarrer in Bremen gebraucht. Er solle, bitte, sofort nach Osnabrück kommen, um weiteres zu besprechen.

Johannes, schon damals selbstbewusst und bisweilen eigenwillig, nahm die Information entgegen und machte auf dem Weg in den Urlaub in aller Ruhe einen Abstecher nach Osnabrück. Es war der Beginn einer 17 Jahre währenden Zeit an der Weser in St. Antonius, St. Godehard und in der Außenstelle St. Barbara.

Zu seinem Beritt zählte das Problemviertel Osterholz-Tenever. Dort lebten Menschen aus 80 Nationen seit den 1970er-Jahren in riesigen Wohnsilos mit Tausenden von Wohnungen. Es roch nach Urin und Abfall.

Dabei nannte sich das Ganze „beispielhafter Siedlungsbau“ mit fortschrittlicher „Urbanität durch Dichte“. Doch die Wohnungen hatten sich kaum vermieten lassen und in der Folge Menschen in schwierigen sozialen Verhältnissen angezogen.

In den 1980er-Jahren kamen massenhaft polnische Bürger hinzu. Die katholische Gemeinde wuchs um 1000 Mitglieder – eine große Herausforderung für die seelsorgliche Betreuung. Johannes schreckte nichts. „Ich bin immer gern in dieses Viertel gegangen.“

Er lernte die Gemeindereferentin Monika Spieker kennen (mit ihr und ihrem Mann Jörg ist Johannes bis heute bestens befreundet).

Sie teilten sich u.a. die Sozialarbeit in Osterholz-Tenever. Nachts war dort vorwiegend Johannes unterwegs.

Die Menschen, denen er sich zuwandte, konnten kaum glauben, dass Fremde sich um sie kümmerten. Sie verstanden die Welt nicht mehr.

Johannes machte weiterhin Jugendarbeit. Ferienfreizeiten standen bei ihm hoch im Kurs. Sie  gaben Kindern mit auf den Weg, was sie für ihre Entwicklung brauchten. In den ersten Jahren begleitete er die Fahrten selbst. Später besuchte er die Gruppen. Zeitweise verfügte er über 40 Gruppenleiter.

Johannes: für fast jede Aufgabe zu haben - auch wenn er dafür immer mal wieder Leute braucht, die ihm unter die Arme greifen.

Johannes: für fast jede Aufgabe zu haben – auch wenn er dafür immer mal wieder Leute braucht, die ihm unter die Arme greifen.

Er lernte den jungen Dennis Pahl (den heutigen Dekanatsjugendreferenten in Aurich) kennen, der sich u.a. von Johannes inspirieren ließ.

In diese Zeit fielen erste Kontakte nach Litauen.

Irgendwann ging Johannes auf seinen Fünfzigsten zu. Er wollte sich noch einmal auf etwas Neues einlassen. Eine gutkatholische Gemeinde reizte ihn nicht. Er dachte an eine Stelle in der norddeutschen Diaspora.

Auf diesem Gefährt mit zwei Rädern geht's leichter.

Auf diesem Gefährt mit zwei Rädern schafft er es ohne Stützfunktion.

Da kam überraschend ein Anruf. Wieder war’s Osnabrück. Mit einem neuen Wechselangebot. In St. Ludgerus Aurich sei die Pfarrstelle vakant.

Das Generalvikariat machte keinen Hehl daraus, dass die Gemeinde tiefen Unfrieden erlebt habe und Johannes sich auf einiges gefasst machen solle. Er bekam Bedenkzeit.

Heute sagt er: „Ich hatte abstruse Vorstellungen von Ostfriesland.“ Vor seinem geistigen Auge sah er sich im VW-Käfer stundenlang über schnurgerade Straßen fahren.

Denn ein bisschen kannte er die Gefilde bereits. In Aurich hatte er Jahre zuvor Hubert Heinelt besucht, der in der Kreisstadt einen ziemlich unkonventionellen Priesterkonvent aufgemacht hatte.

Johannes kannte Hubert Heinelt aus seinen Kindertagen, in denen Heinelt in Hagen Kaplan gewesen war und den Jungen beeindruckt hatte.

Und nun sollte Johannes selbst nach Aurich?

Gern beim Gärtnern.

Gern beim Gärtnern.

Er stellte sich in der Gemeinde vor und wusste, dass er richtig war.

Er ließ sich offen und ohne Vorbehalt auf alles ein. „Bis heute habe ich nicht einen Tag bereut, hierhergekommen zu sein“, sagt er.

2002 trat er seine neue Pfarrstelle mit den Gemeinden St. Ludgerus Aurich und „Maria – Hilfe der Christen“ Wiesmoor an.

2005 kam St. Joseph Neustadtgödens hinzu und 2007 St. Bonifatius Wittmund. Von 2009 bis 2019 war er zudem Dechant für das Dekanat Ostfriesland.

Da Johannes mitten in seiner Arbeit für Neuauwiewitt ist (und er noch ein bisschen exklusiven Stoff für seine Jubiläums-Predigt braucht), möchte er über seinen derzeitigen Arbeitsplatz nicht allzu viel berichten – aber immerhin dies:

Er schätzt die „unglaubliche Bereitschaft“ von Menschen in der Pfarreiengemeinschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Natürlich sei er auch früher von Ehrenamt umgeben gewesen, aber hier komme es auf eine ganz natürliche, unaufgeregte und selbstverständliche Art rüber: „Hier müssen die Leute nicht mit Lob betüddelt werden.“

Sie sind einfach da.

Johannes an seinem 65. Geburtstag inmitten der Menschen aus der ganzen Pfarreiengemeinschaft.

Johannes an seinem 65. Geburtstag inmitten der Menschen aus der ganzen Pfarreiengemeinschaft.

Manchmal wundert er sich darüber, dass bestimmte Menschen ihm im Leben „zweimal“ begegnen.

So war es mit Hubert Heinelt, der ihn als kleinen Jungen in Hagen begleitet hatte. So war es mit Dennis Pahl, den er in Bremen förderte und schließlich als Dekanatsjugendreferenten nach Aurich lotste.

Die Freundschaft mit Gemeindereferentin und Eutonie-Pädagogin Monika Spieker hat sich in all den Jahren gefestigt und führt die beiden – wie vor Monaten während eines Fach-Vortrags – immer wieder auch beruflich zusammen.

Und noch einer ist Johannes seit Jahrzehnten an der Seite: Carl Borromäus Hack aus Meppen.

Der hatte im Dezember 1982 sein Reifezeugnis in der Hand gehalten und gewusst, wofür er es nutzen wollte. „Wir hatten in Meppen über Jahrzehnte gute Kapläne“, sagte Carl einmal in einem Interview und fügte feierlich an: „Einer davon war 1977 Johannes Ehrenbrink.“

Der junge Johannes habe schon in seiner Kaplanszeit in Meppen voller Ideen und mitreißender Tatkraft gesteckt.

Die beiden wurden Freunde, und Carl Borromäus ertappte sich bei dem Gedanken, eines Tages selbst an Ambo und Altar zu stehen.

1989 verbrachte Carl Borromäus in Bremen seine Diakonatszeit. Bei Pfarrer Johannes Ehrenbrink.

2009 führte Osnabrück die beiden noch enger zusammen. Hack wurde Priester zur Mitarbeit in Ehrenbrinks Pfarreiengemeinschaft Neuauwiewitt.

Carl Borromäus und Johannes in jüngeren Jahren.

Carl Borromäus und Johannes in jüngeren Jahren.

Und noch einmal Carl und Johannes - diesmal schon etwas melierter.

Und noch einmal Carl und Johannes – diesmal schon etwas melierter.

Johannes ist für viele Menschen zu einem Begleiter geworden und zu einem Wegbereiter.

Wenn er sich über das Engagement von Menschen freut, dann hat er – bestärkt durch Männer und Frauen, Kinder und Jugendliche an seiner Seite – immer auch ein Stückweit den Weg geebnet.

Mitunter brauchte er selbst Menschen, die ihm halfen. 1977 hatte er Hirnblutungen erlitten. Sein Leben war in Gefahr. Er hatte keine Angst und spürte ergreifend sicher: Alles würde gutgehen.

Es ging gut, auch wenn die lange Krankenhauszeit ihn auf eine harte Probe stellte.

Sein Grundvertrauen wuchs.

Über dieses Grundvertrauen und die Frohe Botschaft des barmherzigen Gottes, der die Armen reich sein lässt, spricht Johannes auf beste Weise. Er ist ein Prediger vor dem Herrn.

Nach 40 Priesterjahren weiß er, wovon er spricht.

 

Text: Delia Evers

Text- und Bildbericht über die Jubiläumsfeier am Sonntag, 13. November 2016