Da musste auch Peter schieben

Dr. Peter Bard verbringt zwei Monate im ruandischen Kigali, um einer in Not geratenen Tierarztpraxis zu helfen. Jetzt reiste er mit anderen in einen Nationalpark. Sie blieben stecken und mussten schieben.

Ende Oktober. Die Regenperiode hat (endlich) angefangen. Jeden Tag gehen mehr oder weniger kräftige Regenfälle nieder. Sie bringen eine leichte Abkühlung; viele Menschen hier mummen sich ein. Natürlich freuen sich auch die Moskitos, deren man sich erwehren muss, so gut man kann.

Nachts schlafe ich ungestört unter einem Moskitonetz, untertags schütze ich mich mit einem mitgebrachten Zitronell-Zedernholzöl. Es gibt hier Malariafälle sowie alle übrigen Tropenkrankheiten wie Babesien, Trypanosomen, Bilharzien, Piroplasmose und wie die netten Bezeichnungen alle heißen.

Kein Grund zur Panik: Ein Feind, den man kennt, ist nur noch ein halber Feind. Gestern erlebte ich einen Tagesausflug zu einem der vier Nationalparks: Akagera, rund 140 Kilometer nordöstlich von Kigali.

Antilopen im Nationalpark.

Akagera ist der Grenzfluss zu Tansania; von den Hügeln des Parks sieht man zum Nach-
barland hinüber. Die Geschichte des Nationalparks reicht in die Zeit der belgischen Kolonisation zurück. Wenn ich den Guide richtig verstanden habe, wurde er 1934 gegründet; der damalige König Leopold soll im ersten „Stadion“ (ein offenes Fußballfeld) am Rand des Parks gespielt haben.

Der Park war damals über 2000 Quadratkilometer groß und bevölkert mit Giraffen, Löwen, Nashörnern, Elefanten sowie Antilopen aller Art und war ein beliebtes Ausflugsziel für Trophäenjäger.

Da durfte natürlich auch der damalige Präsident (siehe Bericht Peter Bard erlebte Geschichte hautnah) nicht fehlen, der sich an einem schönen See eine guteingerichtete Jagdresidenz bauen ließ. Heute ist sie eine Ruine, bewohnt von Schlangen und sonstigen Tierchen.

Während und nach dem Chaos des Bürgerkriegs wurde die tierische Population fast ausge-
löscht. Ein Teil der Rückkehrer siedelte sich im Park an und begann mit Viehzucht und Ackerbau. Damit war der Konflikt mit den überlebenden Wildtieren programmiert.

Die neue Regierung beschloss daher, die Fläche des Parks zu halbieren und mit einem elektrisch geladenen Zaun zu begrenzen. Der Park wird in Inneren von bewaffneten
Rangern gegen Wilderer, Fallensteller und Trophäenjäger geschützt und ist für einen geregelten Tourismus eingerichtet.

Hier geht’s zum Nationalpark – für Peter eine Erfahrung besonderer Art.

Um die Akzeptanz der angrenzend wirtschaftenden Bauern zu erleichtern, erhalten sie fünf Prozent der Einkünfte des Parks, zusammen mit Verbesserungen der Infrastruktur wie Elektrizität, Wasser und Schulen.

Verschwundene Tierarten werden wieder angesiedelt, u.a. Löwenpaare aus Südafrika.

Wir hatten insofern etwas Pech, als es an diesem Tag schüttete, was der Himmel hergab. Die nicht geteerten Wege verschlammten, so dass, wie befürchtet, unser Kleinbus im verschlammten Graben stecken blieb. Also mussten die Männer raus und mit vereinten
Kräften den Bus wieder auf den Weg stellen. Dementsprechend sahen Kleider und Schuhe aus.

Aber da die Afrikaner ein sonniges Gemüt haben (ich war der einzige Weiße, „Mzungu“), fand alles unter großem Gelächter statt; ich konnte leider nichts verstehen.

Da half nichts anderes: Die Männer mussten raus aus dem Bus und schieben, auch Peter, der einzige Mzungu.

Von den Großen Fünf – Löwe, Rhinozeros, Wasserbüffel, Elefant und Flusspferd – sahen wir leider nur die letzteren; die übrigen hatten sich wohl irgendwo „untergestellt“. Wie man mir sagte, ist es immer ein Glücksspiel, sie alle an einem Tag zu Gesicht zu bekommen.

Unabhängig davon ist so ein Besuch immer ein Erlebnis; man darf sich halt nicht auf ein bestimmtes Ziel fixieren.

Für mich interessant war die Beobachtung, dass bei allen Erzählungen immer Bezug genommen wird auf die Zeit vor und nach dem Bürgerkrieg (Genozid). Es ist, wie wenn
dieses Ereignis im Denken und natürlich auch in der Realität eine Art Zeitenwende bedeutet.

Es ist anscheinend ein fester Bezugspunkt: in der persönlichen Biografie derjenigen, die diese Zeit er- und überlebt haben. Ein Bezugspunkt, der auch der nachkommenden Generation in allen Bereichen weitervermittelt wird. Es ist ein Versuch, die eigene Geschichte aufzuarbeiten, ein positiver Aspekt, auch wenn hier wie immer in der Geschichte der Sieger die Geschichte schreibt.