Gottesdienst ging unter die Haut

Diese Sonntags-Messe ging unter die Haut wie Lepra. Zwischenzeitlich war es in St. Ludgerus in den Bänken völlig still. Der Ausschuss MEF informierte eindringlich über Aussatz in der Ferne ebenso wie bei uns.

Lepra ist eine Krankheit, die Menschen der Isolation aussetzt. Das geht uns nichts an? Doch, Aussatz gibt es überall.

In einem gut gespielten Zwiegespräch klärten Dr. Elke Warmuth und Isburga Dietrich, was Lepra ist. Eigentlich nur eine bakterielle Infektion! Ein Antibiotikum könnte sie heilen. Doch die Infektion entwickelt sich schleichend über Jahre und legt ebenso schleichend die äußeren Nerven an Armen, Beinen und am Kopf lahm.

Die Kranken spüren dort nichts mehr. Verletzen sie sich, gehen sie nicht zum Arzt, weil nichts weh tut. Es sind diese Wunden, die das Gewebe bis auf den Knochen herunterfaulen lassen.

„Wie gut, dass dieses ‚Lepra-Problem‘ weit weg ist – in den sogenannten Drittländern“, trägt Isburga in der Messe vor – und erwischt wohl machen bei genau dieser Erleichterung.

„Wirklich?“, fragt Elke.

Ida Fangmeyer, Maria Dellwisch, Isburga Dietrich und Elke Warmuth nach dem Gottesdienst, den im Ausschuss MEF zudem Andrea Meschede und Marianne Kirsch-Tiffert mit vorbereitet haben. Sie waren im Vorabend-Gottesdienst dabei.

Elke erzählt über den Aussatz in unseren Gefilden, über Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen, die an einer Depression, an Epilepsie, an Aids oder Suchterkrankungen leiden und sich vorhalten lassen müssen, sie sollten mal die Ärmel aufkrempeln. Viele gesunde Menschen machen sich kein Bild davon, wie sehr kranke Menschen unter solchen Ratschlägen und Verspottungen leiden. Sie töten oft genauso schleichend wichtige Beziehungen und Bindungen wie Lepra-Bakterien unverzichtbare Nerven töten. Aussatz hier wie dort.

Im Kyrie betet Pastor Carl B. Hack: „Unsere Lebensweise in der modernen Gesellschaft macht uns oft blind für die Nöte anderer Menschen. Wir sehen weg, wenn wir Leid und Elend begegnen. Du sei bei uns in unserer Mitte.

Elke mimt eine Leprakranke – mit Kleid, Schüssel und Klapper.

Elke und Isburga zeichnen nach, wie Priester Leprakranke im Mittelalter in Emden in Gottesdiensten aus der Gesellschaft stießen und ihnen für ihre Zukunft noch Gottes Segen wünschten. Die Auricher Frauen zitierten Originaltexte aus der Emder Geschichte. Sie waren kaum zu ertragen.

Die Kranken mussten aus Emden heraus. Sie durften mit niemandem sprechen und kein Wasser aus öffentlichen Brunnen schöpfen. Hatten sie Durst, schlugen sie mit einer Klapper; traute sich ein Mensch in ihre Nähe, hielt der Kranke ihm wortlos ein Schüsselchen hin. Er musste ein spezielles Kleid tragen, das ihn sofort als Aussätzigen auswies. Er durfte es nicht an allgemein zugänglichen Wasserquellen waschen – ebenso wenig wie sein Haar. Es sollte ungepflegt sein. Auch daran konnten Gesunde die Leprakranken erkennen, die nun als doppelt „unrein“ galten.

Bis heute haben wir Vorstellungen davon, wie kranke Menschen sich zu verhalten haben. Das bringen Ida Fangmeyer und Maria Dellwisch auf den Punkt. Sie mimen eine depressive und eine an Parkinson erkrankte Person, die sich nach und nach aus der Gesellschaft zurückziehen, auch um sich ihren oberflächlichen Beurteilungen nicht mehr aussetzen zu müssen.

Doch wer setzt wen aus?

Es sind wohl mehrere Personen im Kirchenrund, die ihre eigene Situation beschrieben fühlen. So eindrucksvoll sind die Texte des MEF-Ausschusses.

Isburga spielt einen mittelalterlichen Geistlichen, Elke einen Leprakranken und Ida einen Menschen, der an Parkinson erkrankt ist. In der Mitte ist Carl B. Hack zu sehen und rechts Markus Husen. Er hatte eindrucksvoll solo gesungen: „Komm, schau hinter meine Mauer“.

Die fünfte Fürbitte lautet: „Jesus Christus, viele Menschen weltweit leiden unter Krankheiten, die auch zur Ausgrenzung führen. Nimm Du die Furcht aus den Herzen der Menschen und die Vorurteile aus dem Denken und schenke neben dem Berührt-sein auch tatsächliche Berührung.“

Text und Fotos: Delia Evers