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Schütze, Klaus | Pädagogisch-praktische Kompetenz

[1]Am Freitag, 31. Mai 2019, feierten Isburga Dietrich und Klaus Schütze leicht verspätet gemeinsam 125 Lebensjahre. 60 waren es bei Isburga, 65 bei Klaus. Isburga ist auf der Webseite bereits aktenkundig, nun folgt Klaus…

Das Leben von Klaus-Eckehardt begann im Dachgeschoss der Moordorfer Volksschule. Hoch droben bewohnten die Eltern Christa und Wolfgang Schütze zwei Zimmer. Es war Sonntag, 21. März 1954, als der Kleine sich mit einem Gewicht von 4500 Gramm in die Welt schob. Und es gab Begleitmusik. Die Glocken läuteten.

Christa Schütze arbeitete in den Etagen unterhalb der Wohnung als Lehrerin und trug die Familie vorerst finanziell. Vater Wolfgang war jünger als sie, spät aus dem Krieg heimgekehrt und in juristischer Ausbildung. Die Eltern zogen mit Klaus und der vier Jahre älteren Barbara an den Georgswall, wo es erneut Glockengeläut gab – je nach Standpunkt von der katholischen Kirche frontal und von der evangelischen hinterrücks oder umgekehrt.

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Klaus mit Mama Christa und Papa Wolfgang.

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Ein schöner Sommer.

Klaus, evangelisch getauft, besuchte den Lamberti-Kindergarten sowie die Lamberti-Schule und erinnert sich, wie er als kleiner Zappelphilipp vom Lehrpersonal kurzerhand ins Kloräumchen gesperrt wurde, wenn sich die Pädagogen genervt fühlten.

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Leckeres Kerlchen.

Kaum war die Familie ins neu gebaute Eigenheim an der Von-Derschau-Straße weitergezogen, ging es nach Norden: Vater Wolfgang, inzwischen als Volljurist Amtsrat bei der Bezirksregierung und, wie es sich für einen Ostfriesen gehörte, politisch rot beherzt, war dort 1961 zum Stadtdirektor gewählt worden.

Der neue Verwaltungschef ließ vom ersten Auricher Eigenheim in Norden eine Kopie erstellen. Die Familie wohnte fortan nahe der Linteler Schule hinterm Sportpatz.

Aus der Erziehung hielt er sich heraus, zumal die Mutter ihre Stelle als Lehrerin aufgegeben hatte. Sie war streng und mit ihren musischen Begabungen zugleich liebevoll. „Sie konnte wunderschön zeichnen. Und wir haben viel zusammen gesungen. Vater hatte nie Zeit für die Familie. Er arbeitete sieben Tage die Woche. Für ihn hatte jeder Tag 26 Stunden, davon hat er 27 geschuftet.“

Der Stadtdirektor konnte gut mit Menschen umgehen. Trotzdem kam es zum großen politischen Knall. Wolfgang Schütze musste gehen. Sein Sohn fühlte nach, wie der Schlag den Vater traf und wie Freunde über Nacht abhandenkamen. Geld war Mangelware.

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Erster Schultag. Schwester Barbara freut sich mit.

Wolfgang Schütze mietete in Norden ein Zimmer, stellte einen alten Bürovorsteher ein und eröffnete eine Anwaltskanzlei. Er war gut. Jedes Jahr kam mit der wachsenden Mandantschaft ein Zimmer hinzu, schließlich ein Trakt, dann der Umzug an den noblen Marktplatz, wo in der Hoch-Zeit sechs Juristen dem Recht auf der Spur waren. Gern hätte Wolfgang Schütze gesehen, wenn sein Sohn eines Tages die Kanzlei übernommen hätte. Klaus fand das weniger attraktiv.

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Mit Fibel und Zahnlücke.

Als er 1974 mit mittelprächtigem Notengefüge die Reifeprüfung abgelegt hatte, listete der Ostfriesische Kurier die Namen der Abiturienten und ihre Berufsziele auf, darunter: Klaus-Eckehardt Schütze (unbestimmt).

Bestimmt wusste er allerdings, dass er mit Ausnahme von Fleisch- und Molkereiprodukten für sein Leben gern mit Dingen hantierte, vor allem mit Holz und Metall. Er fand immer Leute, bei denen er sich schlau fragen konnte, und traute sich an alles heran. So war er über Jahre der eigentliche Bauherr des wachsenden Zimmertrakts in der Kanzlei des Vaters. Trotzdem nahm er in Münster ein Jurastudium auf. Er machte seine Scheine und fühlte nach einigen Semestern überdeutlich, was er von Anfang an geahnt hatte: „Die Juristerei ist nichts für mich.“ Der Vater sah’s ihm nach.

Klaus schwankte. Er war häufig in einem Hager Pastorenhaushalt zu Gast gewesen, hatte sich an religiösen Gesprächen erfreut und einen Arbeitsplatz auf der Kanzel in Erwägung gezogen. Einen Haken hatte die Sache: Um Pastor zu werden, hätte er das Graecum und das Hebraicum  machen müssen. Der Lernaufwand für die Examen schreckte ihn. Er entschied sich für ein Lehramtsstudium an Grund- und Hauptschulen und ging nach Göttingen. Ein Glücksfall, wie wir noch sehen werden.

Er schrieb sich für Werken und Technik, Biologie, Geschichte und Mathematik ein, entfernte die beiden letzteren bald aus seinem Studienplan, blieb den drei ersten treu und rechtfertigt damit bis heute seinen immer wieder gern gehörten Spruch: „Ich hab Bio studiert. Ich muss das wissen!“

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Klaus mit seinem ersten Auto: ein Opel-Kadett. Erst war die Kiste beigefarben, dann tünchte Klaus den Wagen gelb und, als der Rost nicht mehr zu verbergen war, rostrot.

1979 war das erste Staatsexamen geschafft, 1981 die Referendariatszeit mit dem zweiten Staatsexamen, dann traf ihn unvorbereitet der totale Einstellungsstopp für Pädagogen: Die Lehrerschwemme traf auf den Pillenknick. Klaus litt. Eine Liebesbeziehung war frisch in die Brüche gegangen. Er hatte keine Arbeit, ohne Arbeit kein Geld und ohne Geld keine Wohnung. Klaus zog zerknirscht zurück ins alte Kinderzimmer nach Norden. Die Eltern freuten sich, Klaus nur bedingt.

Er machte einen Inselausflug nach Spiekeroog und sprang arglos in hohem Bogen von einer Düne in den Sand weiter unten. Der Sand bedeckte nur dünn eine Betonplatte. Klaus brach sich beide Fersenbeine. Sechs Wochen lag er nahezu unbeweglich in einem Krankenhaus. Danach humpelte er ein Jahr lang am Stock.  Schon zuvor waren bei ihm Probleme mit Knochen und Sehnen aktenkundig geworden. Ein Professor hatte dem jungen Klaus lange vor dem Insel-Unfall gesagt, er habe das Skelett eines 80-Jährigen (diese Schwäche spürt Klaus, bisweilen sehr schmerzhaft, bis heute).

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Klaus auf Spiekeroog. Da waren seine Fersenbeine noch in Ordnung.

Eine Stelle, die der Vater seinem arbeitslosen Sohn damals in der Kanzlei schuf, konnte Klaus schnell aufgeben. Anfang der 1980er-Jahre startete er die Karriere seines Lebens – keine, die großartige Schlagzeilen produziert hätte, und keine, die die Welt ins Wanken gebracht hätte, eher im Gegenteil. In der Welt ungezählter Kinder und Jugendlicher geriet plötzlich etwas ins Lot. Da war jemand, der sich mit seiner pädagogischen Profession und mehr noch mit seinem Herzen für sie einsetzte. Klaus hatte als Projektleiter bei der Volkshochschule in Aurich angeheuert. Sie betrieb mit sechs arbeitslosen Lehrern und einem Sozialarbeiter eine Projektschule für Jugendliche, die die Hauptschule nicht geschafft oder geschmissen hatten und langzeitarbeitslos waren. Klaus und seine Kollegen sollten die Mädchen und Jungen zu einem Schulabschluss bringen und fit für den Arbeitsmarkt machen.

„Da waren ganz harte Fälle darunter“, erinnert sich Klaus. „Teilweise hatte ich erst einmal Mühe, sie morgens aus dem Bett zu bekommen.“ Er blieb eisern, klar und freundlich und führte die Schülerschar mit seinem Unterrichtssystem Klaus-spezial zum Erfolg.

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Markante Frisur.

Verantwortet und jederzeit bestens begleitet von Fachbereichsleiter Dr. Walther Lambrecht, richtete Klaus im Unterrichtshaus am Lüchtenburger Weg eine Übungswerkstatt für Holz und Metall ein. Seine Idee: Hier sollten die jungen Leute nicht nur ein bisschen hobeln und löten, sondern sich ein Ziel setzen und es am Ende erreichen – z.B. dies: die Errichtung eines kompletten Spielplatzes.

Die Teilnehmer sollten ihn planen, die Phasen von Genehmigung und Finanzierung durchlaufen, einen Standort wählen und, in Gesprächen abgestimmt mit den Wünschen der künftigen Anlieger, die Geräte bauen und bei Siedlungsfesten gemeinsam mit den Beschenkten die Errungenschaften feiern. Die jungen Teilnehmer waren Feuer und Flamme. Ganz nebenbei lernten sie, wie komplexe Abläufe konzipiert werden, wie Winkel und Masse mathematisch zu berechnen und Schriftstücke aufzusetzen sind. Mit jedem Spielgerät, das unter den Händen der jungen Leute entstand, heilten ihre Konzentrationsschwächen, ihr kaputtes Selbstwertgefühl und ihre Bildungsdefizite und gediehen soziales Miteinander, Verantwortungsgefühl, Flexibilität und Selbsteinschätzung.

Klaus fasst sein Konzept so zusammen: „Das ging von der Hand in den Kopf.“ Ein Kollege erweiterte den Satz später um einen Bestandteil: „… von der Hand in Herz und Kopf.“ Wenn Klaus heute nach seinem Ziel von damals gefragt wird, kommt er als Profiteur darin nicht vor: „Ich wollte etwas für die jungen Leute erreichen und ihnen einen Halt geben.“ Er schaffte beides. Walther Lambrecht hatte zuvor einmal den Ostfriesischen Nachrichten gesagt: „Jugendliche, die eine zehnjährige Negativkarriere in der Schule hinter sich haben, kann man nicht wieder an die Tafel setzen und sagen ‚Jetzt holen wir die Prozentrechnung nach‘.“ Sie lernten sie spielend, angeleitet von Klaus.

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„Abgelaufener“ Pass mit der Behauptung: Keine besonderen Kennzeichen. Vonwegen!

Mit seiner Hilfe und mit Hilfe weiterer Kollegen entstanden im Lauf von Jahren sechs komplette Spielplätze. Schon im ersten Projekt schafften von 22 Teilnehmern mit besagter „zehnjähriger Negativkarriere“ 18 den Hauptschulabschluss. 16 bekamen aus dem Stand eine Arbeitsstelle: eine unvorstellbar hohe Erfolgsquote. Sie hatten fürs Leben gelernt. Und Klaus? Er war in seinem Element; er arbeitete als Pädagoge mit Streetworker-Faible, als multifunktionaler Handwerker und als Initiator und Begleiter sozialer und kultureller Projekte. Klaus war hochzufrieden und dankbar, denn nebenbei lernte er selbst: „Ich hatte ja die ganzen Ausbildungsmeister um mich herum. Ich wollte alles wissen.“

Schon bald war die Projektschule am Lüchtenburger Weg viel zu klein. Inzwischen besuchten Dutzende von Schülern den Unterricht. In einem kreiseigenen Gebäude an der Oldersumer Straße, in der ehemaligen Landwirtschaftskammer, entstanden neue Werkräume. Das war gut – auch wegen eines weiteren Projekts: Die Jugendlichen wollten, angestoßen von Klaus und inspiriert von einer Idee des Ihlower Gemeindedirektors Peter Tammen, nach Spielplätzen, Vogelnistkästen und Holzspielzeug eine komplette Fluttermühle bauen. Sie fuhren bis ins niederländische Drachten, um an einer originalen Fluttermühle die einfachste Art zu erleben, „dat Water hochtohalen“. In Ostfriesland waren diese ganz von Hand gefertigten Wasserschöpfmühlen noch bis in die 1950er-Jahre dutzendfach eingesetzt worden, um kleinere, tieferliegende Flächen zu entwässern. Dann waren sie „ausgestorben“.

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Im März 1986 zeigte Klaus, l., in der VHS prominentem Publikum die archimedische Schraube, die seine Schüler für die Fluttermühle hergestellt hatten – im Bild Prof. Dr. Heide Pfarr, damals Kandidatin für das Ministerium für Wissenschaft und Kunst in einer SPD-geführten Landesregierung Schröder, zudem Landrat Hinrich Swieter, MdL, Werner Kirschner, MdL, Heino Kebschul als Geschäftsführer des Volkshochschul-Landesverbandes, Walter Theuerkauf als Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion und ab 1. April 1986 Sozialdezernent beim Landkreis Aurich sowie weitere Vertreter von Volksschulen.

Monatelang zimmerten 30 arbeitslose Jugendliche daran, mit Hilfe von Projektleiter Klaus und gut beraten durch den alten Riepster Mühlenbauer Ubbo Heyen eine solche Mühle herzustellen und in Leegmoor bei Riepe neben der restaurierten Kokermühle in Gang zu setzen. Die Jugendlichen brauchten Kenntnisse der Geometrie, der Vermessungskunde und der Mechanik. Sie lernten die Theorie im praktischen Tun. Bis heute gilt der Bau der Fluttermühle als ein Wahnsinnsprojekt.

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Die Jugendlichen und ihre fertige Fluttermühle.

Im Dezember desselben Jahrs wendeten sich Klaus und die Jugendlichen der Sandhorster Holländerwindmühle zu, die 1972 bei einem Sturm schwer beschädigt worden war. Sie restaurierten Teile des Mahlwerks und arbeiteten sich an Zahnrädern, Kammrädern, an Sackwaage und Trommelwandungen für den Mühlstein ab. 1987 bauten sie an einem Baggersee in Ihlow eine Freizeithütte mit eigener Windkraftanlage. Immer neue Projekte kamen auf den Weg. Immer mehr Mädchen und Jungen machten ihre Abschlüsse und bekamen gute Arbeitsstellen.

Eine Unzufriedenheit blieb Klaus. Über Jahre konnte er nie sicher sein, seinen wunderbaren Job in absehbarer Zeit noch zu haben. „Meine Verträge waren projektbezogen und liefen immer für ein paar Monate. Manchmal arbeitete ich danach einfach weiter; dabei war ungewiss, ob ich eine Verlängerung bekommen würde.“ In jedem dieser Jahre bewarb er sich daher auf reguläre Lehrerstellen und bekam keine. Das nahm ihn mit, denn längst hatte er in Aurich eine Familie gegründet. Steffen (1989) und Mirko (1991) waren zur Welt gekommen. Klaus wollte sie in jeder Hinsicht behütet wissen. „Ich bin kein Risikomensch, kein Unternehmer. Ich brauche Sicherheit.“ Er wollte sie vor allem für seine Familie.

So bewarb er sich 1991 beim Leinerstift auf eine unbefristete und höherdotierte Stelle. Er bekam sie sofort. Der Neue und seine Schüler mit Förderbedarf, oft schwer erziehbar und aus prekären Verhältnissen, bauten drei Dinghis. Das sind kleine, seetaugliche Einhandboote. Auch diese Jugendlichen lernten „von der Hand in den Kopf“. Stolz wie Störtebeker ließen sie die Boote in Timmel zu Wasser. Der Shanty-Chor sang. Und dann fischten die Schüler mit ihren Dinghis noch den begehrten Förderpreis für praktisches Lernen, den „Goldenen Floh“, an Land. Später besorgte Klaus ausgemusterte Go-Carts. Die Jugendlichen zerlegten sie, schrubbten und überarbeiteten die Gestände und bauten Motoren ein, die Klaus über Sponsoren organisiert hatte. Junge Menschen, die selten Selbstwert gefühlt hatten, wussten plötzlich, wozu sie im Stande waren, wenn sie dranblieben.

1994  wurde Klaus zum dritten Mal Vater: Mit Steffen und Mirko bereicherte Felix sein Leben. Wenige Jahre später bekam Klaus nach seiner jährlichen Bewerbung auf eine reguläre Lehrerstelle überraschend eine Zusage – nach 17 Jahren. Er wechselte allerdings nicht nach Delmenhorst, sondern sagte ab, weil ein Vater dreier Kleinkinder nicht jeden Tag drei Stunden zusätzlich auf der Autobahn verbringen sollte. Prompt ging‘s 1999 ins viel nähere Wiesmoor, wo er im Alter von 45 Jahren auf den letzten Drücker in den ersehnten Beamtenstatus vorrückte.

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Vater Klaus 1999 mit v.l. Mirko, Steffen und Felix.

In der kooperativen Gesamtschule (KGS) unterrichtete er Wirtschaft und Technik. Schon bald erkrankte die Leiterin seines Fachbereichs. Die Schulleitung vertraute dem Neuen vorübergehend die Aufgabe an. Gemeinsam mit dem Schulsozialpädagogen und Jugendpfleger Michael Hofer strickte er neue Konzepte und gab den Kindern und Jugendlichen Schwung: Sie schöpften spielend aus praktischer Anschauung die Theorie. Klaus gewann in der KGS einen Freund fürs Leben. „Die Zusammenarbeit mit Michael Hofer habe ich noch viele Jahre später schmerzlich vermisst.“ Denn 2012 wechselte er in die IGS Aurich. Er wollte seinen Fachbereich wieder selbst verantworten – und lief vor die Wand.

Die KGS in Wiesmoor war eine städtische Schule, die bestens im Fokus von Rat und Verwaltung gestanden hatte. Die IGS war eine Schule des Landkreises. Die Werkräume wirkten verwahrlost. „Da war nach meinem Eindruck 40 Jahre nichts gemacht worden.“ Als Klaus mit seinen Schülern für frische Farbe sorgte und sich die Schützlinge langsam wohl zu fühlen begannen, fing Klaus sich eher eine Rüge als Lob vom Landkreis ein. Er hätte für die kunstvolle Beendung des verwahrlosten Zustands eine amtliche Genehmigung gebraucht. Klaus trocken: „Mir waren die Kinder wichtiger als der Landkreis.“ Er blieb sechs Jahre, ehe er mit einem Riesenpolster an Überstunden 2018 in Pension ging.

Zu dieser Zeit hatte sich in seinem Leben einiges zum Besten gewendet. Seit Jahrzehnten hatte der evangelische Klaus aus der Nachbarschaft bereits die katholische Isburga Dietrich [14] gekannt. Seine drei Kinder und die drei Kinder von Isburga hatten manche Spielstunde miteinander verbracht. Eines Tages lud Isburga ihn in den Kirchenchor [15] ein. Die Stimme von Klaus konnte sie gut gebrauchen. Klaus kam zur verabredeten Zeit zum Bonihaus und blieb draußen stehen. Einladend sah es nicht aus. Im Foyer brannte kein Licht, niemand war zu sehen. Ein paar Vorbehalte hatte er zudem. „Die Katholiken – was ist das für ein Volk?“, fragte er sich. Und kehrte um.

Beim zweiten Versuch war alles anders. „So herzlich wie an diesem Abend bin ich nie zuvor irgendwo empfangen worden“, sagt er. „Der Probeabend mit dem Chor ist für mich der Höhepunkt jeder Woche.“ Ihm fällt kein Grund ein, der ihn verleiten könnte, den Probeabend sausen zu lassen. „Das ist eine Art heilige Zeit für mich.“

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Heute ein König. Klaus Schütze bastelte für „Das goldene Herz“ der Gassenhauer einen wahrhaft majestätischen Thron.

Klaus wuchs in die katholische Gemeinde hinein. Er spürte keinerlei Vorbehalte.

Über Isburga kam er mit den Gassenhauern in Kontakt und setzte wie eh und je seine pädagogische und praktische Kompetenz ein, um jungen Menschen Halt und Selbstwertgefühl zu geben.

„Ich habe ein Ziel für die Kinder. Projekte ohne Ziel bringen nichts. Just for fun hat keinen Bestand.“ Er möchte seine Schützlinge soweit auf den Weg bringen, dass sie sich selbst ein Ziel setzen, und sei es noch so klein, ein Ziel, auf das sie irgendwann aus eigener Kraft zugehen.

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2016 war der Rundfunk bei den Gassenhauern zu Gast. Im Bild v.l. Isburga, Klaus, Katharina Guleikoff (mit Mikrofon, Radio Nordseewelle), Elke Warmuth und Darsteller.

Das Projekt und die Großfamilie wollen gemanagt werden. Das ist Aufgabe des Vereins zur Förderung von Kinder- und Jugendtheater in Aurich e.V.; Klaus ist der Vorsitzende. Er kümmert sich gleichermaßen um Steuererklärungen wie um Spendengelder und Förderanträge. Denn Aufführungen wie „Das goldene Herz [18]“ kosten rund 30.000 Euro.

Klaus arbeitet im Anpackerkreis [19] von St. Ludgerus mit und fährt zwischendurch schon mal an den Niederrhein, um mit einem Laster Krankenhausbetten für Litauen zu holen. Er steht bei Festivitäten am Grill und brutzelt Köstlichkeiten. Er repariert, was kaputt ist, rückt manches wieder gerade und redet gemeinhin nicht viel.

Beim Zeltlager von Neuauwiewitt stand er mit Isburga in der Küche und war dort viel mehr als ein Koch. Allein die Anwesenheit der beiden bürgte für eine gewisse Grundstabilität im Lager-Alltag.

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2016 ließ Klaus sich für die Gassenhauer bei einer öffentlichen Demonstration samt Filmdreh als Fiesling aufstellen. Er mimte den Immobilien-Hai Doktor Stefan Schmatzke, an seiner Seite Filmmama Sigi samt Hündchen.

Aus Klaus und Isburga ist längst ein prächtiges Gespann geworden. Sie ergänzen sich mit ihren Begabungen und Vorlieben für schwierige Fälle aller Art. Seit wenigen Jahren sind sie ein Paar. Klaus‘ Kommentar: „Isburga ist einmalig.“ Am Deepstück gestalten sie mit ihren praktischen, fantasievollen und künstlerischen Adern seit einiger Zeit ein Häuschen samt Garten zu ihrem Heim.

Klaus ist nicht am Ende seiner Wünsche. „Ich würde gern noch vieles können. Klavierspielen zum Beispiel. Das vermisse ich.“ Als Kind hatte er drei Jahre Unterricht. Das hilft ihm bei den Chorproben (interner Mini-Witz für die Sangesgeschwister: Klaus zählt zu jenen, die wissen, dass die schwarzen Zeichen in den Liederheften Noten sind). Und vielleicht hilft es dabei, noch einmal neu anzufangen.

Ein „christliches Grundgefühl“ hat Klaus immer begleitet. In der St.-Ludgerus-Gemeinde, im Chor und vor allem durch Isburga hat es sich verstärkt. Er spürt mehr denn je, dass Gottes Liebe durch die Hände der Menschen geht.

Text und Fotos (5): Delia Evers, weitere Fotos: Privatarchiv Klaus Schütze

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Die Söhne von Klaus heute: v.l. Steffen, Felix und Mirko.

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Klaus heute.

Und weil es so schön ist, zum Abschluss noch eine kleine Bildbetrachtung, angelegt von Mutter Christa mit ihrer Malkunst.

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Herzlich willkommen – mit Foto der Moordorfer Schule.

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Feenhafte Zeichnungen.

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Papa sagt immer: „Killekillekille.“

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Klaus war von weiblichen Wesen umzingelt.

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Die Eltern hofften zu Beginn noch auf einen Nachwuchsadvokaten. Tatsächlich wurde es eine Nachwuchsadvokatin. Schwester Barbara und ihr Mann übernahmen die Kanzlei des Vaters.