Klüngeltüngels tief beeindruckt in Gedenkstätte Esterwegen

2106-04-24 Esterwegen3_1Von Elisabeth Funke | Die Klüngeltüngels von St. Ludgerus Aurich besuchten die KZ-Gedenkstätte Esterwegen im Emsland und kehrten nach einer Führung und einem Klosterbesuch tief beeindruckt zurück.

Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir ferne jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor
(aus dem Lied: „Die Moorsoldaten“)

Dieses über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewordene Lied entstand schon im  Jahr 1933 im Lager Börgermoor, eines von 15 Gefangenenlagern, die der NS-Staat zwischen 1933 und 1945 im Emsland unterhielt.

Nach einem einführenden Diavortrag, bei denen ihnen viel Wissenswertes über die Emslandlager vermittelt wurde, besuchten sie die Ausstellungshalle, wo die Ereignisse der Zeit chronologisch aufbereitet sind. Hier konnte jede/r einzelne sich anhand von Originalschriftstücken, Bildern und Zeitzeugenberichten einen eigenen Eindruck über das unmenschliche System des Nationalsozialismus verschaffen.

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Fietje Ausländer führte die 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Aurich durch die Ausstellung. Im Hintergrund sind Fotos einiger NS-Häftlinge aus dem Lager zu sehen. Fietje Ausländer zeigte in die Ferne: Die Bilderwand müsste Hunderte Meter länger sein, um alle Häftlinge aus Esterwegen mit einem Bild zu würdigen. Fotos: Delia Evers

Ziel aller Emslandlager war die Kultivierung der umliegenden flächendeckenden Hochmoore, die von den Gefangenen unter menschenunwürdigen Bedingungen bewerkstelligt werden musste.

In den Lagern waren rund 80.000 Häftlinge interniert, während des Zweiten Weltkriegs mehr als 100.000 Kriegsgefangene. Fast 30.000 Menschen starben an Hunger, Erschöpfung, Krankheiten und körperlichen Misshandlungen, oder sie wurden auf der Flucht erschossen.

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Ein Blick in die Ausstellungshalle, die das Leben im Lager dokumentiert.

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Fassungsloser Eintrag eines Häftlings, der überlebte und ein Buch über seine Lagerzeit schrieb: Wolfgang Langhoff.

Das Lager Esterwegen, eines der ersten Konzentrationslager Deutschlands, wurde schon 1933 in Betrieb genommen. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden dort politische Häftlinge – Gegner des Regimes – untergebracht. Diese hatten kein Gerichtsverfahren durchlaufen und waren der Willkür der Herrschenden rechtlos ausgeliefert. Der wohl bekannteste Insasse des KZ Esterwegen war der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1935 Carl von Ossietzky.

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Die Außenanlagen der Gedenkstätte sind auf eine besondere Art gestaltet: Baumgruppen markieren die Grundrisse der ehemaligen Baracken. Die auf dem Foto abgebildete Allee war bei der Anlage des KZ gepflanzt worden: Der Architekt hatte den Ehrgeiz gehabt, ein „schönes Lager“ zu gestalten. Wie es um die Menschen stand, die dort leben und arbeiten mussten, interessierte ihn nicht.

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Fietje Ausländer erklärte die Außenanlagen und ihre Symbolik.

Nach einer kurzen Kaffeepause in der Cafeteria der Gedenkstätte machten sich die Klüngeltüngels auf in das benachbarte Kloster. Es erwarteten sie drei Räume, die in einem Dreiklang zueinander stehen. Im Eingangsbereich befinden sich drei Betonblöcke, eingebettet in heimischen Torf, darüber an der Wand das Lied der Moorsoldaten. Hier soll erinnert werden an das schwere Schicksal der Gefangenen, aber auch an deren Standhaftigkeit und Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

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Der Eingang zum Kloster – auch hier wird viel mit Symbolik gearbeitet: Die Spalierbäume wirken gerade jetzt, da noch keine Blätter zu sehen sind, wie Stacheldraht. Zugleich lassen sie durch ihre besonders gezogene Form viel Licht durch.

Über eine leicht nach unten führende Rampe betritt man den „Raum der Sprachlosigkeit“.

In diffuses Licht getaucht steht in der Mitte ein Drehkreuz mit alten Moorbahnschienen, ein Symbol für Ausweglosigkeit ebenso wie für das Kreuz Christi und des Menschen. Es sind die gleichen Schienen, auf denen Gefangene Torf transportiert haben. Daneben steht die Nachbildung einer Torflore. Die verrosteten Räder sind Relikte einer Originalmoorbahn.

Eine gedankliche Verbindung zu den Vernichtungslagern drängt sich auf, wo mit ähnlichen Loren die Leichen der ermordeten Insassen in die Verbrennungsöfen transportiert wurden. Eine tiefe Betroffenheit bei den Anwesenden war deutlich spürbar.

Eine weitere leicht ansteigende Rampe führte die Besucher in die Kapelle. In diesem schlichten Raum hängt an der Stirnseite ein Kreuz, das aus einer Eiche geschnitten wurde, die aus einem Kampfgebiet des Zweiten Weltkrieges stammt und in die eine Granate eingedrungen ist. Trotz seiner Verwundung ist der Baum gewachsen und hat sich entwickelt, ein Hoffnungszeichen für alle Betroffenen, dass auch sie ihr Leid  überwinden  können.

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Eine kleine spontane Führung unternahm Schwester M. Agnelda vom Konvent der Mauritzer Franziskanerinnen mit den Gästen aus Aurich. Sie erläuterte beeindruckend schlicht, bildreich und tiefgehend die Ausstattung der Klosterräume. Auf dem Foto zu sehen ist das verwundete Kreuz, das „über seine Verletzung hinausgewachsen“ ist.

Mit einem symbolischen Gang ins „Moor“ beendeten die Klüngeltüngels ihren Aufenthalt und machten sich tief beeindruckt von dem Gesehenen auf den Heimweg.