Husen, Markus | Gemeindereferent

Am Samstag, 24. September 2016, sendete Bischof Dr. Franz-Josef Bode Gemeidereferent Markus Husen in die Pfarreiengemeinschaft Neuauwiewitt. 1990 war er im Krankenhaus in Sögel zur Welt gekommen.

Im nahen Lathen wuchs er zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Michael auf. Mutter Rita, eine gelernte Textilfachverkäuferin, und Vater Hermann, Malermeister und heute Kundenberater in einer Löninger Unternehmung, waren für ihn da, wie es in der Familie gefühlt schon immer üblich war: im emsländischen Lathen eingebunden in die Dorfgemeinschaft, traditionsbewusst und katholisch.

Der junge Markus Husen freute sich an seiner Großmutter Bernhardine. Samstags holte er sie mit Mutter Rita zur Vorabendmesse ab. Doch erst musste bei ihr ein bisschen geplaudert werden. Zunächst „parkte“ er noch vor dem Fernseher.

Später gesellte er sich dazu und erlebte die Volksfrömmigkeit seiner Oma. In ihrer Gegenwart fühlte sich alles rund um den Glauben warm und kraftvoll an.

Mit der Oma betete er gern. Mit ihr lief der erste Rosenkranz durch seine Finger. An ihrer Seite pilgerte er nach Heede. Zusammen mit der Mutter begleitete er sie zu kirchlichen Festen, besonders gern zu Fronleichnamsprozessionen, die er als Trompeter der Kolpingkapelle begleitete. „Mein Glaubensleben ist stark mit meiner Großmutter verbunden“, sagt Markus Husen heute.

Oma Bernhardine hatte immer gesagt, sie wolle im Alter niemandem zur Last fallen – nicht der Familie und nicht dem Pflegepersonal in einem Heim oder Krankenhaus.

Eines Morgens – es war einige Zeit vor der Firmung von Markus Husen – stand sie auf, duschte sich, legte sich nach alter Gewohnheit noch einmal zur Entspannung aufs Bett und machte für immer die Augen zu.

Für Markus Husen war ihr Tod ein Einschnitt. Am offenen Sarg nahm er mit schwerem Herzen Abschied.

Zu dieser Zeit hatte er bereits zwei wichtige Erfahrungen gemacht.

Vor kurzem leitete Markus Husen eine Wortgottesfeier. Anschließend dankten Gläubige ihm.

Im September 2016 leitete Markus Husen in Aurich eine Wortgottesfeier. Anschließend dankten Gläubige ihm.

Mit vier Jahren hatten Ärzte bei ihm eine Epilepsie diagnostiziert – eine Störung des Gehirns, die viele bis heute aus Unkenntnis und gänzlich falsch mit geistiger Behinderung oder furchterregenden Symptomen gleichsetzen.

Die zweite wichtige Erfahrung: Markus wuchs automatisch in das katholische Gemeindeleben hinein, auch wenn er es als einseitig erfuhr. „Kinder- und Jugendarbeit war nicht vorhanden. Das war das krasse Gegenteil von dem, was ich in Neuauwiewitt erlebe“, sagt Markus.

Immerhin gab es einen Pastoralreferenten. Der versuchte, Angebote auf den Weg zu bringen.

Markus mit Fliege zu einem festlichen Anlass (neben ihm Andrea Meschede).

Markus mit Fliege zu einem festlichen Anlass (neben ihm Andrea Meschede).

Nach der Firmung absolvierte Markus in dem benachbarten Boje-Verbund für zwei Wochen ein Schulpraktikum. Hier lernte er eine andere Jugendarbeit kennen. Sie war offen und zugewendet.

Am Ende hatte Markus die Idee: „So etwas könnte ich beruflich machen.“

Er bat den Pastoralreferenten, ihn häufig einzusetzen. Fortan begleitete Markus ihn ehrenamtlich über zwei Jahre bei fast jedem Termin. Markus wurde als 16-Jähriger in den Pfarrgemeinderat berufen („ich war fast überall immer der Jüngste“), sah sich viel in der Seelsorge ab und lernte, „wie Kirche geht“.

Er bildete Messdiener aus und hielt sie anschließend unter seinen Fittichen. Gemeinsam grillten sie und schauten sich Filme an. Er ließ sich als Firmkatechet einspannen und brachte mit den Anwärtern sozialcaritative Projekte auf den Weg.

Er begleitete eine Fahrradwerkstatt. „Wir suchten von überall her klapprige Räder zusammen und reparierten sie.“ Die fertigen Schmuckstücke gingen an die Dörpener Rumänien-Initiative Helping Hands. Markus Husen sagt: „Die Projekte wurden durch inhaltliche Arbeit begleitet.“

Markus mit Wegbegleitern: Steffi Holle, Johannes Ehrenbrink und Carl B. Hack.

Markus mit Wegbegleitern: Steffi Holle, Carl B. Hack, Johannes Ehrenbrink und Maria Dellwisch.

Nebenbei wuchs er auf das Abitur zu und fand, dass es langsam ernst wurde. Er musste eine Zukunftsentscheidung treffen. In Osnabrück besuchte er ein Schnupperwochenende: Berufe in der katholischen Kirche.

Markus suchte eine Arbeit, „die mich im Leben tragen kann. Es war mir vertraut zu glauben, dass es Gott gibt, der mich begleitet, bei dem ich sein kann und der mich weiterträgt, wenn mein Leben hier zu Ende gegangen ist.“

Die Bundeswehr musterte ihn wegen seiner Epilepsie aus, die zur medikamentösen Feinabstimmung regelmäßige EEG und Blutuntersuchungen nötig machte.

Markus bewarb sich beim Bistum Osnabrück auf eine Stelle als Gemeindereferent.

An dem Tag, an dem er 2009 sein Abiturzeugnis überreicht bekam, erhielt er einen Brief aus Osnabrück. Markus war angenommen. Der Brief war ihm wichtiger als das Abitur.

Markus begann an der Katholischen Hochschule Paderborn den wissenschaftlich und zugleich praxisorientiert ausgerichteten Bachelor-Studiengang Religionspädagogik. Er schloss ihn 2012 nach sechs Semestern mit dem akademischen Titel „Bachelor of Arts“ ab.

Markus arbeitet in der Neuauwiewitt-Redaktion mit - das Foto zeigt ihm mit Matthias und Lydia Kraft.

Markus arbeitet in der Neuauwiewitt-Redaktion mit – das Foto zeigt ihn mit Matthias und Lydia Kraft. Mit Computern und ihren Programmen kennt er sich gut aus. Zudem mag er Gitarrenspiel und Gesang: Er singt im Kirchenchor Aurich und im KjE-Chor, leitet die Kolpingband in Wiesmoor und die Jugendschola in Aurich.

Intensive Erfahrungen machte er bei Nightfever-Veranstaltungen – eine Initiative junger Christen zur Neuevangelisierung. Ihren Anfang hatte sie beim Weltjugendtag in Köln 2005 mit offenen Kirchenabenden zur eucharistischen Anbetung genommen.

Menschen liefen mit Teelichten durch die Stadt und luden wildfremde Mädchen und Jungen ein, mit den Kerzen in die Kirche zu gehen und für ein bestimmtes Anliegen zu entzünden.

In immer mehr Städten wurde Nightfever angeboten. Student Markus, der in Paderborn selbst als Techniker am Mischpult alle acht Wochen in die Organisation solcher Ereignisse eingebunden war, erlebte, wie z.B. junge Mädchen in Stöckelschuhen und Cocktailkleid für ein paar Minuten mit einem Licht in die Kirche kamen und beteten.

„Am Mischpult hatte ich viel Zeit für mich. Das, was ich da erlebte, hat mich sehr berührt. Da wuchs mir Kraft zu.“ Spätestens nach sechs Wochen fieberte er dem nächsten Termin entgegen. Immer mal wieder „habe ich punktuell die Nähe Gottes gespürt.“

Markus Husen: „Da, wo ich jetzt stehe, würde ich ohne Gott nicht sein.“ Durch sein Leben sieht er einen Roten Faden laufen. Manchmal findet er ihn erst lange nach Ereignissen wieder. Schnurgerade gespannt ist der Faden selten. „Er zieht sich durch mit Schlenkern.“

Die Schlenker haben sich mitunter als kleine und große Wegbereinigungen erwiesen.

Markus wird Samstag in die Pfarreiengemeinschaft Neuauwiewitt gesendet.

Markus wurde in die Pfarreiengemeinschaft Neuauwiewitt gesendet.

Im Alltag gönnt er sich persönliche Gebetszeiten, die er freilich nicht immer einhält. „Das ist nicht gerade meine Hauptbeschäftigung“, sagt er grinsend und räumt ein, wie gut ihm die Ruhe tut. Er ist auf der Suche nach einem Rhythmus.

Manchmal ist ein „Machtwort“ von Pfarrer Johannes Ehrenbrink wohltuend, der ihn im Büro liebevoll darauf aufmerksam macht: „Wenn du hier sitzt, kannst du auch zum Mittagsgebet gehen.“

Nach seinem Studienabschluss machte Markus ein Freiwilliges Auslandsjahr in Russland. Er arbeitete in einem Kinderzentrum. Der Stress wuchs, Auseinandersetzungen mit WG-Bewohnern setzten ihm zu („in der Osternacht hat mir einer der Männer eine runtergeknallt“).

Die existenziellen Nöte der Menschen, vor allem der Kinder, machten es ihm schwer, der Belastung standzuhalten.

Ein erzkonservativer Geistlicher tat ein Übriges. Er drohte Markus, ihm zu Weihnachten die Kommunion zu verweigern. Markus hatte auf drängende Nachfrage „gestanden“, längere Zeit nicht gebeichtet zu haben. Weihnachten ohne Kommunion – das war für Markus unvorstellbar. Er beichtete – und wurde während der Beichte noch einmal mit weitergehenden Fragen belastet.

Der Glaube von Markus ist bis heute fest. Allerdings konnte er die Frage, ob er sich angesichts solcher Priester den richtigen Beruf ausgesucht hatte, nicht zu jeder Zeit mit „ja“ beantworten.

Dann stieß er allerdings wieder auf Menschen, die ganz in der Arbeit für andere „herzlich und mit ganz viel Liebe“ aufgingen. „Da hatte man mit Schicksalen zu tun, die es hier nicht gibt.“

„Herzlich und mit ganz viel Liebe“ – ist das auch seine Art mit Menschen umzugehen? „Ich glaube, dass ich das kann“, sagt er. Manchmal spürt er allerdings, dass er sich noch intensiver auf andere einlassen möchte. „Da kann ich noch etwas lernen.“

Besondere Steffi Holle, Geschäftsführerin des Caritasverbands Ostfriesland, und Pfarrer Johannes Ehrenbrink, die ihn in seiner Ausbildung intensiv begleitet haben, sind ihm Vorbilder.

Sie beeindrucken ihn immer wieder mit ihrer Menschenkenntnis, mit Einfühlsamkeit, Energie und Glaubenskraft.

Sie zeigen, da ist Markus sicher, innere Haltung. Haltung wächst mit der Erfahrung. Markus, noch jung an Jahren, möchte aus Begegnungen lernen.

Das Team hilft ihm. Die Sache fing schon gut an.

Er war noch in Russland und hatte im Juli 2013 keine Ahnung, wo das Bistum ihn als Gemeindeassistenten einsetzen würde. Wiesmoor war angedeutet worden, und der Emsländer Markus hatte gegoogelt, wo das liegt. Er sollte sich bei Gefallen in der Personalabteilung des Generalvikariats melden.

Da bekam er eine E-Mail. Absender war Pfarrer Johannes Ehrenbrink aus Aurich. Er sprach Markus mit Vornamen an und gab dem jungen Mann Bescheid: „Wir duzen uns hier alle. Das ist in Ostfriesland so üblich. Ich freue mich, dass du hier anfängst.“

Ups, da war die Entscheidung ohne Markus gefallen, und sie gefiel ihm. Eine Wohnung in Wiesmoor gab‘s auch schon. Am 1. August 2013 feierte Markus seinen ersten Arbeitstag. „Ich wurde supergut aufgenommen. Ich war sofort mittendrin.“

„Mittendrin“ lag vor allem in Wiesmoor und Neustadtgödens. Er begleitete die Kolpingaktivitäten, besonders die Kolpingjugend, die Messdiener, Erstkommunionkinder, Firmlinge und Sternsinger. Spiele halfen ihm, die Kinder kennen zu lernen und Vertrauen zu gewinnen.

Markus hatte noch ein anderes Anliegen. Er hatte trotz seiner Epilepsie den Führerschein machen können, musste während seiner Assistenzzeit aber längere Zeit pausieren. Er durfte nicht Auto fahren.

Zum ersten Mal sprach er mit vielen anderen über seine Erkrankung, die ihn während seiner Arbeit in keiner Weise einschränkte.

Es war wie ein Outing. Er wollte es, weil er spürte, dass die anderen ihm vertrauten und er ihnen vertraute. Eine Last kippte von seinen Schultern. Die Reaktion der anderen haute ihn fast um. Das Team und die Gemeinden trugen ihn durch die Zeit, und fuhren für ihn mit.

Längst kurvt Markus wieder auf vier Rädern durch die Gegend.

Am Samstag, 24. September 2016, wurde er vom Bischof als Gemeindereferent in unsere Pfarreiengemeinschaft gesendet.

Markus möchte für andere Menschen da sein und ihnen etwas mit auf den Weg geben. Er will nicht so reden wie jener Priester, den er einmal vor Obdachlosen predigen hörte. Der Geistliche war immer wieder durch Zurufe unterbrochen worden: „Was heißt das, was du da sagst?“, „Und was bedeutet das für mich?“

Der Gemeindereferent will sich dabei ein Stückweit führen lassen. „Mein Vertrauen ist groß, dass da Irgendjemand einen Plan für mich hat. Und der arbeitet manchmal eben auch mit Schlenkern.“

Bericht über die Sendungsfeier.