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Nach Segensgebet neue Blickwinkel aufgetan

[1]Mit Unterstützung aus dem Generalvikariat starteten Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand von St. Ludgerus perspektivische Planungen. Die Gremienmitglieder orientierten sich bewusst nicht an ihren üblichen Aufgaben.

Sie schauten über den Tellerrand des „Tagesgeschäfts“ hinaus auf tiefere Ziele. Als eine Art Dreh- und Angelpunkt des Abends brachte Nicole Muke, Leiterin für den Bereich Gemeindeentwicklung im Bistum Osnabrück, die Anwesenden im Bonihaus buchstäblich in Bewegung und ein Stückweit auf den entscheidenden Pfad. Einen festen Platz im Saal hatte jedenfalls niemand sicher. Immer wieder galt es, den Kopf hochzunehmen, sich (vom Stuhl) zu erheben und sich allein dadurch für einen Perspektivwechsel zu öffnen.

„Wie geht Zukunft von Kirche?“, fragte Nicole Muke und sprach aus, was notwendig ist. Die Kirche sei in einer bedenklichen Lage und stehe in jeder Hinsicht vor großen Herausforderungen. Es gelte, den Graben zwischen der Kirche und der Lebenswelt der Menschen zu überwinden, damit „Glauben und Leben noch zusammengehen“.

Bei vielen gehen sie nicht mehr zusammen. Das legen über 400 Kirchenaustritte im Dekanat Ostfriesland allein 2018 nahe. Auch treue Kirchgänger und Engagierte in den Gemeinden spüren die Diskrepanz. Nicole Muke ermutigte die Gremienmitglieder, nicht zuerst Strukturen zu beleuchten. „Das reicht nicht!“ Vielmehr müsse nach den Inhalten gesehen werden. Andernorts seien z.B. Gemeindeprofile erstellt und Visionen formuliert worden – als Leitbilder, auf die hin sich die Gemeinden entwickeln wollten.

Solche Leitbilder seien nicht übertragbar. Man könne nicht sagen: „Die sind für alle gleich.“ Jede Gemeinde müsse ihre eigenen Schwerpunkte finden und angehen.

Dann ließ sie es „angehen“. Mit schwungvollem Strich hatte sie vor Beginn der Sitzung wortleere Plakate an den Wänden mit Sammelbegriffen betitelt: Religiöser Kontext, sozialer, politischer, ökologischer, wirtschaftlicher und kultureller Kontext.

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Nicole Muke versah leere Plakate mit Titeln.

Nun galt es, aus dem bequemen Sitz und aus den sonst von Gremiensitzungen gewohnten Abläufen aufzustehen und mit einem dicken Filzschreiber in Stichworten eigene inhaltsreiche Gedanken offenzulegen.

Denn „Visionen sind nur dann tragfähig, wenn sie von möglichst vielen geteilt werden. Das aber verlangt partizipative Visionsentwicklungsprozesse“, hatte Nicole Muke an anderer Stelle zum Besten gegeben. Und weiter: „Da also nur eine geteilte Vision tragfähig ist, sind möglichst viele in den Gemeinden, Gremien, Einrichtungen und darüber hinaus an den Fragen zu beteiligen: Wohin wollen wir Kirche entwickeln? Wie können wir die Botschaft des Evangeliums neu entdecken und anbieten? Wie sieht für uns ein realistischer Weg in die Zukunft aus? Welche Zielsetzungen resultieren daraus, und welche Verantwortungsmodelle passen in unsere Situation?“ Solche Visionsprozesse und Zielfindungen müssten vor Ort in den pastoralen Räumen verankert sein.

In Null-Komma-nix entstand im Bonihaus vor den noch inhaltsleeren Plakaten mit einem Mix von Menschen unterschiedlichster Eigenarten, Talente und Erfahrungen ein solcher Raum in Klein. Die Plakate füllten sich mit Visionen, Wünschen, Aufgaben und Anforderungen. Das ganze schreckliche und schöne bunte Leben unserer Zeit trat zu Tage – von der Enercon-Krise mit den Sorgen der Beschäftigten, über teils prekäre Lebenssituationen von Jugendlichen in der Gemeinde bis hin zu Fragen, wie wir in Zeiten digitaler Überschwemmung sozial empathische Wesen bleiben.

Die Gremienmitglieder zogen losgelassen von Plakat zu Plakat und zeigten, was sie drauf haben an sozialer Ader, empathischem Wesen, Mitdenken, Gestaltungswillen, Gestaltungskraft und Gestaltungsfreude.

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Da wurde nach Herzenslust geschrieben.

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Und geschaut und debattiert.

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Zeit zum Innehalten und Nachdenken blieb genug.

In Arbeitsgruppen vertieften die Gremienmitglieder die Inhalte. Einige von ihnen mussten schließlich aus ihren Beratungen herausgeholt werden, so intensiv waren sie in ihren perspektivischen Gesprächen weitergeeilt. Die Gruppen erläuterten ihre Ergebnisse.

Sie werden zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt, denn diese Sitzung war „eine erste Einladung“, sich auf den Weg zu machen, sagte Nicole Muke. Sie bot zur Freude vieler Gremienmitglieder an, den Prozess bei weiteren Treffen zu begleiten.

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Es gibt noch viel Gesprächsbedarf, um die Gemeinde perspektivisch gut aufzustellen, damit sie mithilfe eines Leitbildes planvoll und gezielt „Glauben und Lebenswirklichkeit der Menschen“ zusammenbringen kann. Ein Weiterso („bisher war doch alles gut“) hilft nicht mehr.

Eines war Nicole Muke von Beginn an entscheidend wichtig gewesen, nämlich „schon die ersten Schritte als gemeinsamen spirituellen Lernweg zu verstehen und zu erleben.“ So hatte sie die Sitzung mit einem Segensgebet begonnen. Sie beendete sie leise, ruhig, ernst und dankbar mit einem weiteren Segensgebet. Plötzlich war es ganz still im Saal.

Text und Fotos: Delia Evers

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Dieses Trio war nach Aurich gekommen. Am zeitigsten war am Morgen Nicole Muke aufgestanden (4 Uhr). Sie hatte die Früh-Fähre nach Langeoog erwischen müssen, um dort pünktlich einen anderen Termin wahrzunehmen. Nach dem langen Tag und einer erstklassigen Moderation galt dieser „ernsthaften Frohnatur“ ein besonders heftiger Dank der Gremien. Froh waren sie zudem über die Anwesenheit von Jens Heermann (r.), im Bistum verantwortlich für alle verwaltungs- und finanztechnischen Fragen speziell für Kindertagesstätten, sowie Sebastian Strothmann, verantwortlich für das gleiche – mit Ausnahme der Kindertagesstätten. Die beiden hatten sich für weitergehende Beratungen zur Verfügung gestellt, von denen ein anderes Mal die Rede sein soll.