Reichlich Regen in Regensburg

Stadtführerin Lilo Weese war „schuld“: Am Ende des zweiten Reisetags waren wohl alle Regensburg-Reisenden aus Neuauwiewitt angetan von der Stadt und ihren mittelalterlichen Kulturschätzen.

Natürlich bekamen die Unseren nicht alle 1500 Regensburger Einzeldenkmäler zu Gesicht und nicht alle Geschichten zu hören, die die Metropole zu bieten hat. Aber Lilo Weese vermittelte in der Kürze viel Wissen und manch Skurriles rund um die Stadt, die mit ihren geschichtsträchtigen Bauten und der größten mittelalterlichen Stadtanlage nördlich der Alpen seit 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Lilo Weese verteilt Stadtpläne.

Lilo Weese begann die Zeitrechnung für Regensburg, das bereits 5000 Jahre vor Christus besiedelt war, erst mit dem Bau eines römischen Lagers im Jahr 179 auf Anordnung von Kaiser Marc Aurel. Die Südländer errichteten es am nördlichsten Punkt der Donau und bauten ihre Castra Regina: ihr Legionslager am Regen, der hier in die Donau mündet.

Den Regen gab‘s für die Neuauwiewitter nicht nur an der Mündung mit erheblicher Fließgeschwindigkeit. Auch von oben kam kräftig was herunter. Das war nicht vorgesehen. Das Hotel stellte erschrocken Schirme zur Verfügung. Auch Lilo versicherte, dass es eigentlich nie regnet, wenn sie mit Gästen unterwegs ist. Mit ihr schlüpfte die Gruppe von Unterstand zu Unterstand.

Also, sonst regnet es hier niiie!

Gemeinsam überquerten sie die Donauinseln und nutzten dafür ein Behelfswerk neben der weltberühmten Steinernen Brücke aus dem 12. Jahrhundert. Sie gilt bis heute als mittelalterliches Bauwunder, bot Handelsreisenden einen sicheren Übergang und führte ihre Begeher zum Salzstadel, Lagerort unvorstellbarer Mengen der kostbaren Streuwürze.

Flotter Gang über die Behelfsbrücke – der Regen unter den Füßen, und der Regen von oben.

Die Neuauwiewitter gelangten über die Brücke in den stolzen Stadtteil Stadtamhof, der einst selbstständig gewesen war und mit Regensburg bis heute ähnlich liebevoll verbunden ist wie Aurich mit Norden.

Im Mittelalter wurde die Stadt an wichtigen Handelsstraßen zu Wasser und zu Land mit Beziehungen bis Paris und Venedig, in den Nahen und Fernen Osten sehr reich. Das demonstrierten die Stadtoberen mit sündhaft teuren, steinernen Patrizier-Hausburgen samt sogenannten Geschlechtertürmen, die die Regensburger Herren sich in der Toscana abgeschaut hatten. Sie standen eindrucksvoll in der Stadtlandschaft herum. Ihre vornehme Aufgabe war es zu protzen. Sonst waren die Lulatsche für nichts gut.

Die eigentliche Attraktion ist im Bildvordergrund zu sehen: Quintett aus dem Norden in Regensburg: v.l. Marlies Weinmann, Ina Fenger, Elisabeh Funke, Maria Meyer und Hildegard Lüken. Im Hintergrund der Dom.

Das ist heute anders: Rund ein Drittel von den ehedem 60 Türmen sind erhalten und bereichern das Stadtbild. Viele weitere Bauwerke entstanden in dieser Zeit und zieren Regensburg mit fast mediterranem Charme.

Lilo Weese verschwieg bei ihrem Rundgang nicht, wie Regensburger Bürger im 16. Jahrhundert ihre jüdischen Mitbewohner vertrieben. Sie brauchten Sündenböcke für den einsetzenden wirtschaftlichen Niedergang der Stadt. Die Bürger warfen die Juden, mit denen sie doch immer gut ausgekommen waren, aus der Stadt, zerstörten ihre Synagoge, schändeten ihren Friedhof und bauten jüdische Grabsteine als Trophäen in ihre Hausfronten ein. Sie sind bis heute an manchen Bauten erhalten.

Die Stadt hatte das Glück, im Zweiten Weltkrieg kaum Luftangriffe überstehen zu müssen. So blieb der mittelalterliche Kern weitgehend unbeschädigt erhalten, darunter der Dom St. Peter mit seinen überaus schönen Buntglasfenstern aus dem Mittelalter. Sie wurden einst in einer Technik hergestellt, die heute niemand mehr kennt.

Der Dom ist Kathedrale des Bistums Regensburg, gilt als wichtigstes Werk gotischer Baukunst im Süden der Republik und ist Heimat der Regensburger Domspatzen. Der Baubeginn der Kirche liegt im 13. Jahrhundert.

Blick in die düstere Kirche. Wenn sich die Augen eingewöhnt haben, gewinnen die kostbaren Buntglasfenster immer mehr an Leuchtkraft.

Berührende Szene: Mariä Heimsuchung, dargestellt im Dom – Maria küsst zärtlich die sichtbar schwangere Elisabeth. Ihre Bäuche berühren sich.

Lilo Weese erzählte natürlich auch über berühmte Persönlichkeiten der Stadt, zum Beispiel über Don Juan de Austria. Kaiser Karl V. hatte ihn einst in Regensburg gezeugt. Die Stadtführerin schilderte eine ganze Liebesgeschichte dazu.

Karl hatte bei einem Besuch in Regensburg die wunderschöne, bürgerliche Gürtlerstochter Barbara Blomberg kennen gelernt. Sie hatte ihm mit ihrer glockenhellen Stimme vorgesungen. Der alternde Karl konnte nicht widerstehen. Er kam eine Nacht mit Barbara zusammen und ward fortan von ihr nie wiedergesehen.

Neun Monate später war Don Juan da. Barbara wurde als Mutter nicht glücklich. Sie musste das Kind mit drei Jahren an den Hof „abtreten“, wo es erzogen wurde, um später in die Weltgeschichte einzugehen. Don Juan war es, der als Führer der Flotte der sogenannten Heiligen Allianz in der Seeschlacht bei Lepanto über die Osmanen siegte und das christliche Abendland rettete.

Nach so viel Geschichten und Geschichte freuten sich die Neuauwiewitter, auf eigene Faust in die Stadt ausschwärmen zu können, um zu bummeln, zu shoppen oder auf einer herrlichen Dachterrasse in Domnähe einen Kaffee zu trinken. Wie hatte Lilo gesagt: „Da ist der Dom so nah, dass man die Türme fast umarmen kann.“

Blick von der Dachterrasse auf die Altstadt.

Die Cheforganisatoren der Reise: Elsbeth und Josef Antony auf der Hotelterrasse.