Urlaub ohne Koffer 2021

Vor zwei Jahren gab es zum ersten Mal das Angebot „Urlaub ohne Koffer“ in der Ludgerus-Gemeinde Aurich. Im vorigen Jahr musste die Aktion Corona-bedingt ausfallen, aber nun konnten am letzten Tag im August

wieder 3 gelbe Bullis mit Senioren zu einem Ausflug starten. Der Wettergott meinte es sehr gut, die Sonne schien bei angenehmen Temperaturen. Mechtild Möhlenkamp und Elisabeth Funke als Organisatoren hatten alles im Griff.

Neun Seniorinnen und Senioren (einige mussten kurzfristig absagen) begannen den Tag mit einem gemeinsamen Frühstück im Bonihaus, das Helferinnen und Helfer vorbereitet hatten. Dann hieß es: auf die Bullis verteilen, es geht los! „Wohin fahren wir denn?“ war natürlich die große Frage, aber das sollte eine Überraschung sein und wurde nicht verraten. Klar war nur: Richtung Leer.

Die „Urlauber“ und ihre Begleitung

In Leer war eine Hafenrundfahrt organisiert, die etwa 1 Stunde dauern sollte. Naja, der Leeraner Hafen und eine ganze Stunde? Tatsächlich aber ist der Hafen mit 4 km Länge größer als man meint und aufgeteilt in Freizeithafen und Industriehafen. Erstaunlich auch: Leer kommt mit 18 Reedereien gleich nach Hamburg. Vom Kapitän gab es viele Informationen, so dass es ein kurzweiliges Erlebnis wurde.

Eines von 4 eisgängigen teilgefertigten Schiffen

Nach der Rundfahrt machten alle einen gemütlichen Gang durch die engen Gassen. Einige Senioren waren fasziniert von den wunderschön angelegten Gärten. Sie entdeckten Blumen, die sie besonders liebten. Im Gemeindehaus von St. Michael gab es dann viele leckere Sachen, die von den fleißigen Helferinnen und Helfern vorbereitet waren. Alle langten kräftig zu, es schmeckte schon wieder.

St. Michael ist die Heimatgemeinde von Hermann Lange, einem Theologen und bekannten Widerstandskämpfer während der Nazizeit. In dem Gedenkraum berichtete Elisabeth Funke in sehr bewegender Form über das Leben von Hermann Lange. Er vervielfältigte und verteilte Flugblätter und NS-kritische Schriften, darunter die Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August von Galen. Im Juni 1942 wurde Lange mit zwei weiteren kath. Geistlichen und einem ev. Pastor verhaftet wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. Beeindruckend ist der tiefe Glaube Langes, der in einem Brief aus seiner Haftzeit zum Ausdruck kommt: Zitat: „Ich persönlich bin ganz ruhig und sehe dem Kommenden entgegen. Wenn man wirklich die ganze Hingabe an den Willen Gottes vollzogen hat, dann gibt das eine wunderbare Ruhe und das Bewusstsein unbedingter Geborgenheit. … Menschen sind doch nur Werkzeuge in Gottes Hand. Wenn Gott meinem Tod will – es geschehe sein Wille. …“

Hermann Lange, Theologe und Widerstandskämpfer.

Alle vier Geistlichen wurden am 10. November 1943 mit dem Fallbeil hingerichtet. Die drei katholischen Geistlichen wurden am 25. Juni 2011 selig gesprochen, wobei auch des ev. Priesters gedacht wurde.

Die älteste Teilnehmerin erzählte, wie sie diese Zeit als Kind selbst erlebte hatte. Mit Tränen in den Augen schilderte sie, wie jüdische Nachbarn aus dem Haus gezerrt und misshandelt wurden. Auch andere aus der Gruppe berichteten ergriffen von den Gräueltaten aus dieser Zeit.

An diesen nachdenklichen Teil schloss sich erst einmal eine entspannende Pause an, bevor es weiterging nach Folmhusen ins Schulmuseum zu einer unterhaltsamen „Unterrichtsstunde“, wie sie Anfang des 20. Jh. ablief. Hier konnte die Gruppe in den Schulbänken Platz nehmen. Zur Überraschung der Senioren lagen Schiefertafel, Schwämmchen und Tafelläppchen bereit. Im preußischen Erziehungsstil, gefalteten Händen, gerader Sitzhaltung und mit „Guten Morgen, Herr Lehrer“, erlebten alle eine Unterrichtsstunde. Da das Schreiben, früher wie heute, intensiv geübt wird, konnte mit einem Milchgriffel auf die Tafel geschrieben werden. Im Takt, den der Lehrer vorgab, wurde das kleine „i“ geübt. Die Senioren erzählten von ihren ersten Schreibübungen und wie oft eine Tafel und Griffel zerbrachen. Auch konnten sie sich gut an Schläge mit dem Rohrstock erinnern, die die Lehrer früher verteilten.

Unterricht im Schulmuseum.

Das gerade Sitzen in den engen Bänken war für „Alte“ nicht so einfach. Ein kurzer Gang durch das Museum machte aber wieder fit. Mit den gelben Bussen ging es dann weiter am Deich entlang, an Schafen vorbei, und bei manchem Anblick schmunzelten die Senioren. Endlich war das Ziel erreicht: bei „Cassi“ in Rorichum gab es ein vorher bestelltes Abendessen. Hier konnten sich alle in Ruhe bedienen lassen. Es entwickelten sich noch einmal Gespräche über einen schönen und abwechslungsreichen Tag, den alle sehr genossen hatten. Für alle gab es von Mechtild Möhlenkamp noch ein kleines Erinnerungsgeschenk und von den „Urlaubern“ ein dickes Dankeschön an die Organisatorinnen und HelferInnen.

Das Erinnerungsgeschenk.

Text: Hildegard Lüken und Mechtild Möhlenkamp

Fotos: Hildegard Lüken