18.05.24 | Sonntagsgruß von Markus
Pfingsten ist ein seltsames Fest. Zum Beispiel könnte man das Gefühl bekommen, dass wir in unserer Kirche mit dem Geist, der da gefeiert wird, normalerweise gar nicht so viel anfangen können. Wir haben uns angewöhnt, ihn zu zähmen, er muss sich an Ämterstruktur, Lehrtradition und Kirchenrecht halten; er darf nicht stören — jedenfalls nicht unsere gewohnte Ordnung. Das wilde Wehen des Geistes als Feuerkraft, als brausend-unkontrolliertes Geschehen, das wäre vielen von uns sicherlich unheimlich und so haben wir den Geist lieber an die Leine gelegt.
Ein gutes Beispiel dafür ist mir vor einigen Tagen in der Sendung Plus Minus gekommen. Es wurde ein Bericht gezeigt, der die aktuellen Probleme besonders der kommunalen Bauherren am Beispiel einer Kita darstellte. Mittlerweile müssen 20.000 Bauvorschriften von der EU, dem Bund, dem Land und der Stadt eingehalten werden, die sich teilweise sogar widersprechen. Im Grunde sollen diese Vorschriften alle der Sicherheit der Kinder, der Erzieher etc. dienen. Doch hier wurde nochmal besonders deutlich, dass wir in einer sog. Vollkaskomentalität leben, die auf der einen Seite ein großes Gefühl von Sicherheit bietet. Auf der anderen Seite macht diese Einstellung aber jede Kreativität, jede innovative Idee und viele individuellen Bedürfnisse im Keim unmöglich.
Ein Hl. Geist, der von uns nicht kontrolliert und reglementiert werden kann, hat gar keine Chance mehr zu wirken.
Auch die Jünger befanden sich nach dem Tod Jesu in einer ähnlichen Situation. Die Sicherheit, in der sie lebten, war eine traurige und erschütternde, sogar eine lähmende Sicherheit, aus der es kaum ein Entkommen zu geben schien.
Die Jünger waren traumatisiert vom gewaltsamen Tod ihres Jesu. Sie hatten sich verbarrikadiert und Türen und Fenster fest geschlossen. Keiner wagte sich hinaus. Alles hatten sie auf die eine Karte Jesus von Nazareth gesetzt — und hatten mit seinem Tod am Kreuz alles verloren. Die Hölle erlebten sie auf Golgotha. Sie blieben zurück als hoffnungslose Fälle, ohne Perspektive und Zukunft.
Ganz unerwartet öffnet sich den Jüngern jetzt aber eine Tür. Von außen tritt ein Anderer in ihre Mitte und sprengt so ihre Verschlossenheit auf. Und zweimal spricht dieser Andere den von Unruhe und Hoffnungslosigkeit zerrissenen Jüngern Friede zu. Um dann jeden Zweifel zu beseitigen, wer er ist, zeigt er ihnen seine durchbohrten Hände und die durchstoßene Seite. Nun erkennen sie ihn, Jesus, ihren Herrn. Die Trauer und Hoffnungslosigkeit der Jünger verwandeln sich in Freude und Staunen. Der, den sie zu Grabe getragen hatten, lebt und er steht mitten unter ihnen.
Zugleich erkennen die Jünger, dass die Mauer, die sie selbst um sich und in sich aufgebaut hatten, von Christus zerbrochen wurde. Leben und Licht strömt in ihre Trostlosigkeit hinein. Sie bleiben nicht in ihrem Gefängnis, sondern ergreifen voll Freude und Jubel die ihnen geschenkte Freiheit und dieses neue und unglaubliche Leben.
Genau dazu ermutigt und beauftragt Jesus dann seine Jünger: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“. Bleibt also nicht hier, sondern geht hinaus. Verlasst die abgestandene Luft, den Mief des geschlossenen Raums. Tretet hinaus aus den Mauern ins Freie, ins Leben und hin zu den Menschen! Und tatsächlich — die Jünger wagten diesen Schritt. Sie gingen hinaus und erzählten den Menschen von all dem, was sie erlebt hatten und trugen diese so unglaubliche und frohe Botschaft in alle Welt hinaus.
Diese neu gewonnene Freiheit wird dann spürbar, wenn wir Menschen uns auf Neues einlassen und hinaustreten aus unserem kleinen oder großen sicheren und gewohnten Umfeld. Der Geist Gottes weht, wo er will. Er lässt sich niemals in irgendeiner Weise eingrenzen. Er wirkt in unserer Welt — auch und vor allem außerhalb jeglicher Systeme und Mauern, auch außerhalb von Kirchen und Religionen, außerhalb vermeintlicher Wahrheiten und Ideologien. Er wirkt, wo immer Menschen etwas wagen und sich auf die Begegnung mit Fremdem und Fremden einlassen. Dort eröffnen sich neue Horizonte und neue Freiheiten, dort geschieht Pfingsten — hier und jetzt.
Ein gesegnetes Fest wünscht Ihnen und Euch
Markus