2014-04-26-Turmgeflüster

Von Delia Evers | Spannende Zeiten (Samstag)

Gestern schrieb ich über die mutige Rede von Kardinal Walter Kasper vor der Kurie in Rom. Heute habe ich im Archiv des Turmflüsterers gestöbert und als Suchbegriff „Walter Kasper“ eingegeben. 22 Datensätze flogen auf den Bildschirm. Schon 1993 hatte Kasper, damals noch Rottenburg-Stuttgarter Bischof, mit seinen Mainzer und Freiburger Kollegen einen Vorstoß für einen anderen Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen gestartet.

Ihr Anliegen, Betroffene unter Bedingungen wieder in die Eucharistie-Gemeinschaft aufzunehmen, scheiterte seinerzeit am Präfekten der Glaubenskongregation, an Joseph Ratzinger. Er kanzelte die deutschen Bischöfe ab, ihr Vorstoß stehe „in offenem Gegensatz zur Lehre der Kirche“. 2008, da war er längst Papst, bekräftigte er seine Haltung. Personen, die in schwerer Sünde lebten, könnten nicht zur Kommunion zugelassen werden.

Ebenfalls vor Jahren hat Walter Kasper einen zweiten mutigen Vorstoß gewagt, als er anregte, für Frauen ein sakramentales Amt zu schaffen und eine Diakoninnenweihe einzuführen.

Kasper schlug ferner vor, Frauen bis in höchste kirchliche Entscheidungsgremien einzubeziehen. Dem Beispiel der Apostel folgend sollten „bei der anstehenden Erneuerung der synodalen Struktur Frauen in Synoden, in Pastoralen Räten und in Kommissionen angemessen beteiligt werden“. Bislang haben Frauen weder in Synoden noch in Konzilien ein Stimmrecht.

Ich sag´s euch: Wir leben in spannenden Zeiten!

Herzlich
Eure Turmflüsterin


Gebote als Weg zum Glück (Freitag)

Unlängst hielt der deutsche Kardinal Walter Kasper vor der Kurie in Rom einen mehrstündigen, gelehrten Vortrag über heikle „Familienfragen“. Kasper schlug sich so beachtlich, dass Papst Franziskus ihm begeistert dankte und besonders erfreut diesen Satz wiederholte: „Jesus ist nicht gekommen, um eine Philosophie oder eine Ideologie zu lehren, sondern einen Weg. Man erlernt ihn, indem man ihn beschreitet. Im Gehen.“

Manchmal sind unsere Laufversuche in Sachen Menschlichkeit etwas ungelenk und wenig elegant. Wir machen Fehler. Vielleicht stolpern wir und kommen zu Fall. Dann brauchen wir niemanden, der nachtritt, sondern jemanden, der uns die Hand reicht.

Kasper argumentierte in seiner Rede, wenn Gott den Menschen vergebe, warum solle seine Kirche dann nicht auch vergeben; die Gebote der Bibel sollten nicht als Last, sondern als Wegweisung zu einem erfüllten Leben verstanden werden; man könne die Gebote niemandem auferlegen, „aber man kann sie aus guten Gründen allen als Weg zum Glück anbieten“.

An den Geboten führe kein Weg vorbei, wetterten nach der Rede einige Traditionalisten. Kaspers Haltung dazu: „Was ist das Evangelium? Kein Gesetzescodex. Ohne den in den Herzen wirksamen Geist ist der Buchstabe tötendes Gesetz.“ Ein hartes, starkes Wort.

Herzlich
Eure Turmflüsterin


Jetzt blüht er wieder (Donnerstag)

Er füllt noch die kleinste Nische – besonders gern zwischen Pflastersteinen – und belebt andernorts ganze Wiesen. Der Löwenzahn hält Hoch-Zeit. Die Schöpfung zeigt sich in ihrem schönsten Kleid, und alle dürfen dabei sein: kein Eintritt, keine gesonderte Einladung.
Löwenzahn
Bitte einfach hingehen und genießen!

Augenweide auf unseren Wiesen.    Foto: Delia Evers


Er rief sie nur beim Namen (Mittwoch)

Heute lesen wir im Evangelium nach Johannes von Maria Magdalena, die am Ostersonntag zum Grab geht. Sie nimmt an, dass jemand den Leichnam ihres Herrn weggenommen hat; sie weint. Dreimal lesen wir im ersten Absatz das Wort „weinen“. Dem Autor muss es ziemlich wichtig sein.

Maria Magdalena trauert. Sie begreift das Geschehen so wenig wie die verzweifelten Jünger, die nur noch an einen herkömmlichen Tod Jesu ohne Hoffnung glauben. Verlust, Trauer, Zweifel – da müssen wir durch, damit wir selbst über Menschen, die uns in dieser Welt am kostbarsten sind, hinaussehen können. Wir müssen Verlust, Trauer und Zweifel zu Grabe tragen.

Das Evangelium beschreibt, wie plötzlich Jesus hinter Maria Magdalena steht. Sie erkennt ihn nicht. Da ruft er sie beim Namen. „Maria!“ Sie antwortet, ohne nachzudenken: „Rabbuni!“ – Meister. Unmittelbar begreift sie die Auferstehung.

Dafür musste sie erst zum Grab.


Zeige mir den Weg (Dienstag)

Ostermontag hatten wir liebe Gäste aus Essen, jawoll: geradewegs aus dem Pott. Anna und Jan hatten sich hier oben ein paar schöne Tage gemacht. Samstag waren sie nach Langeoog rübergeschipppert. Tolles Wetter. Gute Laune. Und am Strand jede Menge Anregungen. Da hatte jemand seinen Glauben „in den Sand geschrieben“.

Anna und Jan waren beeindruckt. Sie sahen ein großes Kreuz mit Fischsymbolen, dann eine Art Engel, von Künstler oder Künstlerin persönlich mit Hand- und Fußabdruck signiert, und eine Bitte um Weisung: „Zeige mir den Weg!“ Dazu eine deutliche Fußspur – als Hoffnung, dass die Bitte schon erfüllt ist? Oder als Zeichen, dass wir erst einmal selbst aufbrechen müssen, damit Christus uns begleiten kann? Weiteren Fragen und Antworten mag jeder selbst auf die Spur kommen.1-Strandbild

„Zeige mir den Weg“: Bitte – über Ostern in den Sand geschrieben auf Langeoog.


Frohe Ostern (Sonntag und Montag)

Bei uns beiden Turmflüsterern begann Ostern am gestrigen Samstag ein paar Stunden früher als anderswo. Steffi und Kyra brachten die Krankenkommunion für Martin und blickten in ihren Texten Richtung Auferstehung. Wir kamen überein, die neue Osterkerze ausnahmsweise schon anzuzünden. Schön wars, ihr beiden!

Am Abend wurden Martin und ich daheim unruhig. Wir sahen – quasi mit unserem dritten Auge – wie auf dem Vorplatz unserer Kirche im Feuerkorb Holz angefackelt wurde. Wie der Wind – same procedure as every year – den Qualm in die Gesichter der Umstehenden wirbelte. Wie das Feuer seinen Segen bekam, die Osterkerze mit dem Alpha und dem Omega gezeichnet und mit dem Feuer entzündet wurde und wie die Gemeinde in die dunkle Kirche einzog. Dann dieser einmalige Gesang. „Lumen Christi!“ „Deo gratias!“ Jedes Jahr hatten wir Gänsehaut, wenn sich die Kirche mit dem Licht Christi füllte, das das Dunkel der Herzen vertrieb und nach und nach von allen in der Gemeinde weitergereicht wurde, bis es auch den letzten erfasste.

Gestern Abend begleiteten Martin und ich unsere Gemeinde in Gedanken. „Jetzt ist die Kirche voll erleuchtet.“ „Jetzt strahlen die Gesichter und zeigen diese unnachahmliche Wärme.“ „Jetzt beginnt der Wortgottesdienst mit der Schöpfungsgeschichte.“ Irgendwann – mit einem Lächeln: „Jetzt haben sie mindestens die fünfte Lesung hinter sich.“

Dann nach dem Licht das zweite der österlichen Zeichen: das Halleluja. Wir sangen voll Freude. Ich las das Evangelium nach Matthäus. Frauen begegnen dem auferstandenen Jesus.

Und das dritte Zeichen: das Wasser, gesegnet in der Tauffeier. Wir sprachen die Erneuerung des Taufversprechens. Ein bisschen Lourdes-Wasser war auch noch da. Martin wusste, was jetzt kommen musste: „Fest soll mein Taufbund immer stehen.“ Ich sang. Martin begleitete mich brummend mit halben Sätzen.

Er war sehr erschöpft. Ich sprach den Schlusssegen. Martin murmelte, halb im Schlaf: „Geht hin in Frieden. Halleluja, Halleluja.“

Frohe Ostern wünscht herzlich
Eure Turmflüsterin


Das Herz befehle

Ideen ziehen Kreise. Das ist heute so (nehmen wir gern die Gassenhauer-Jugend als Beispiel, die sich in einem Theaterprojekt engagiert), und das war früher so. Am 8. März 1494 kam in Portugal Johannes zur Welt. Mit acht Jahren, so erzählt eine Legende, lief er von zu Hause fort; da niemand den Nachnamen des Jungen wusste, nannte man ihn Johannes von Gott – eine Zusatzbezeichnung, wie sie damals vielen Findelkindern gegeben wurde. Kein schlechter Name, wenn man sich ansieht, was Johannes später leistete.

Er war schon über 40 Jahre alt, als er den spanischen Missionar Johannes von Ávila predigen hörte. Das änderte sein Leben mit einem Schlag. Er verschenkte alles, was er besaß, wurde für verrückt erklärt und lernte in der Anstalt, in die man ihn eingewiesen hatte, die Not der „Geisteskranken“ kennen. Nach seiner Entlassung begann er unter einem noch heute stehenden Torbogen, sich um Kranke zu kümmern. Die Inschrift des Torbogens „Das Herz befehle“ wurde zu seinem Leitspruch.

Er widmete sich besonders den psychisch auffälligen Menschen. Für sie gründete er in Granada ein Krankenhaus, das mit seinen fortschrittlichen Methoden geradezu revolutionär war.

Johannes von Gott wurde bald zum Vorbild vor allem für junge Leute. Sie und Pflegekräfte aus dem Hospital schlossen sich ihm an. Aus ihrer Gemeinschaft entwickelte sich der Orden der „Barmherzigen Brüder“. Barmherzige Brüder helfen bis heute.


Bitte um etwas Geduld (Sonntag)

Liebe Leserinnen und Leser, herzlichen Dank für die Geduld, die ihr in den letzten Wochen aufgebracht habt, da sich auf der Webseite kaum etwas bewegte. Persönliche Gründe haben uns daran gehindert, das Angebot aktuell zu halten. Nun soll die Berichterstattung langsam wieder an Fahrt gewinnen. Seht uns bitte trotzdem nach, wenn es hin und wieder etwas länger dauert, bis ein Text online gestellt ist oder Rubriken aktualisiert werden.

Sollte sich wiederum eine Zeitlang nichts bewegen, vertaut einfach darauf, dass es baldmöglich weitergeht.


Habt ihr heute schon Gott gestört? (Donnerstag)

Habt ihr heute schon Gott gestört? Nein? Dann mal ran! Keine Sorge, die Aufforderung zur Ruhestörung stammt nicht von mir. In der Kapelle des Gästehauses Santa Marta im Vatikan predigte Papst Franziskus, Beten sei „ein bisschen, wie Gott zu stören, damit er uns zuhört“. Allerdings solle es eine ausgeprägte Störung sein. Also bitte nicht nach zwei, drei vergeblichen Gebeten aufstecken!

Jesus selbst habe uns ermuntert, im Gebet an „die Tür zu klopfen, Lärm zu machen und zu stören“, erläuterte der Papst.

Irgendwann dürfen wir dann allerdings, so sagt es ein Psalm, ruhig werden vor dem Herrn und gelassen warten auf sein Tun. Wie das aussieht, weiß Gott allein. Wir können immerhin sicher sein, dass sein Tun und die Liebe eins sind.


Und alle fanden Platz (Mittwoch)

Am vergangenen Samstag reisten 80 Firmbewerber mit Katecheten und Eltern nach Neustadtgödens, den östlichen „Zipfel“ unserer weitläufigen Pfarreiengemeinschaft. Wie viel Gastfreundschaft dort zu Hause ist, erfuhren die Gäste während des gemeinsamen Gottesdienstes in der prallvollen Kirche und zuvor bei einem tollen Kuchenbuffet.

Alle fanden Platz: auf den Stühlen und – für die Leckereien – in ihren Mägen.

Kyra Watermann hat die Gruppe begleitet. Ihr Bericht folgt.


Und alle, die ihn berührten, wurden geheilt (Montag)

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Das galt schon zu Zeiten Jesu. Im Tagesevangelium berichtet Markus, wie Jesus über den See Gennesaret ans Ufer kam und sofort aus der ganzen Gegend Menschen zu ihm strömten und auf Tragbahren Kranke brachten. Die meisten hatten ein ganz einfaches Ansinnen. Sie baten nicht um Heilung. Sie wünschten sich, die Kranken dürften den Saum seines Gewandes berühren. Sie hatten nur diesen Wunsch: Jesus nahe zu sein.

Im Evangelium heißt es: Und alle, die ihn berührten, wurden geheilt.

Das ist es: Wer Jesus berührt, wird geheilt. Auch wenn wir selbst die eigentliche Heilung oft erst spät begreifen.


Bernd und die Steuerehrlichkeit (Sonntag)

Gestern Morgen hörte ich auf NDR 1 zufällig eine Sendung. Hinz und Kunz sollten sagen, was sie von Steuerehrlichkeit halten. Ein „Bernd“ war in der Leitung. Er erzählte fröhlich, dass er es in kleinerem Stil mache wie die Großen und das Finanzamt betuppe. Die Großen gingen meist straffrei aus, da wolle er nicht der Dumme sein. Die Moderatorin lachte glockenhell. Das sei ja beeindruckend, dass Bernd so ehrlich sei. Nein, ich hatte mich nicht verhört. Das sagte sie wirklich: dass Bernd so ehrlich sei (seine Lügen in der Steuererklärung zuzugeben).

Die Moderatorin des NDR, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, fand nichts dabei, „Bernds“ Auffassung so stehen zu lassen, statt wenigstens seine Behauptung richtigzustellen, dass er das Finanzamt betuppe. Steuereinnahmen gehören bekanntlich nicht dem Finanzamt. „Bernd“ betuppt uns alle.


Ein Fürsprecher der Waisen (Samstag)

Tief prägende Ereignisse können den ganzen Lebensentwurf eines Menschen verändern und seinem Weg eine neue Richtung geben. Im Kleinen haben wir das alle vielfach erlebt. Da geschieht etwas, und danach sind wir nicht mehr „die Gleichen“. So ging es Hieronymus Ämiliani (1486 bis 1537). Der Venizianer liebte den Waffendienst. Mit 22 Jahren, da war er bereits General, geriet er in französische Gefangenschaft und erfuhr unverhofft seine Befreiung – der Legende nach durch die Hand der Muttergottes.

Fortan handelte er an anderen voller Nächstenliebe, half Waisenkindern, richtete zusammen mit Gleichgesinnten Häuser für sie ein, wurde 1518 zum Priester geweiht, widmete sich den Pestkranken und starb schließlich selbst an der Pest. – 1767 wurde er heiliggesprochen und 1928 zum Patron der Waisen ernannt. Heute feiern wir seinen Namenstag.


Ein kleiner Seelengruß (Freitag)

Ihr erinnert euch! Als vor 14 Tagen der Schnee über Ostfriesland hereinbrach, fotografierte ich in unserem Winter-Garten eine Rose mit Sahnehäubchen und prophezeite, dass sie nach dem Frost ihre Blütenblätter abwerfen würde. Nix da, sie sind noch immer dran und bieten mir Tag für Tag einen kleinen Seelengruß.


Eine Meisterleistung von Paulus (Donnerstag)

Heute grüße ich alle Menschen mit einer Meisterleistung von Paulus. Jeder Christ kennt sie, kaum jemanden lässt sie kalt, so intensiv beschreibt sie, worauf es ankommt.

Das Hohelied der Liebe

1 Wenn ich in Menschen- und in Engelszungen redete,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich ein dröhnendes Erz und eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste
und allen Glauben hätte, um Berge zu versetzen,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nichts.
3 Und wenn ich all meine Habe den Armen schenkte und meinen Leib hingäbe,
dass ich verbrannt werde,
hätte aber die Liebe nicht,
nützte mir’s nichts.

4 Die Liebe ist langmütig,
gütig ist die Liebe.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf,
5 sie ist nicht schamlos,
sie sucht nicht das Ihre,
sie lässt sich nicht reizen,
sie rechnet das Böse nicht auf.
6 Sie freut sich nicht über das Unrecht,
sie freut sich mit an der Wahrheit.
7 Alles trägt sie,
alles glaubt sie,
alles hofft sie,
allem hält sie stand.

8 Die Liebe hört niemals auf.
Prophetie wird aufhören,
Sprache verstummen,
Erkenntnis vergehen.
9 Stückwerk ist ja unser Wissen,
Stückwerk unsre Prophetie.
10 Wenn aber die Vollendung kommt,
wird das Stückwerk abgetan.
11 Als ich ein Kind war,
redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind.
Als ich ein Mann wurde, legte ich das Kindliche ab.
12 Jetzt schauen wir noch wie durch einen Spiegel
in einem dunklen Wort,
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich nur Teile,
dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt sein werde.

13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.
Am größten aber ist die Liebe.