2014-05-17-Turmgeflüster

Von Delia Evers | Das Ziel des Weges (Sonntag)

Das Evangelium heute ist schwerer Tobak. Jesus erzählt, dass er zum Vater gehen und dort einen Platz für die Jünger bereiten wird. Er ermuntert sie: „Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr.“ Die Jünger sind ratlos. Sie haben keine Ahnung, wovon Jesus redet. Sie wissen nichts von einem Weg.

Wir sind – 2000 Jahre nach dem Geschehen – klüger und haben gelernt, dass Jesus selbst der Weg ist. Ein schönes Wort hat er damals gesagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Aha! Und was heißt das? Das steht etwas weiter im Text. Wer Jesus erkennt, erkennt den, der das Ziel des Weges ist: den Vater. Jemanden erkennen, das bedeutete in biblischen Zeiten: Sich ganz auf jemanden einlassen, sich mit ihm vereinigen. Wer sich auf Jesus einlässt, ist auf dem Weg zum Vater.

Einen gesegneten Sonntag!

Herzlich
Eure Turmflüsterin


Anliegen nah bei Gott (Samstag)

Uns beiden Turmflüsterern wurde ein „auswärtiges“ Gebet zuteil. Ein lieber Freund jüdischen Glaubens besuchte seine Tochter in Jerusalem und ging mit ihr zur Klagemauer, dem wichtigsten jüdischen Heiligtum in der Stadt. Er mailte uns: „Weil ich gerade so intensiv an euch dachte, schrieb ich meine Wünsche für euch auf ein Zettelchen und schob es – wie es hier Brauch ist – in eine Steinspalte.“

Die Klagemauer ist der westliche Teil und das einzige Überbleibsel des jüdischen Tempels, den Römer hier 70 nach Christus schleiften. Juden glauben, dass der Tempel ein Ort ist, an dem Gott in die Welt „einfließt“, wo sie sich ihm also ganz nahe fühlen dürfen. Bis heute stecken sie Zettelchen mit ihren Wünschen in die Ritzen der Mauer – in der Hoffnung, dass ihre Anliegen gleich bei Gott sind.

Und in der Mauer steckt nun auch ein Zettelchen für uns.

Herzlich
Eure Turmflüsterin


Ein kleines Maß Leidensfähigkeit (Freitag)

Pastor Carl Borromäus Hack war wie schon viele Male fleißig und hat einen neuen gemeinsamen Pfarrbrief für unsere vier Gemeinden zusammengestellt. All die vielen Termine und weitere Informationen unter einen Hut zu bekommen, ist jedesmal, pardon: eine Heidenarbeit. Die Daten wollen gesammelt, in die richtige Reihenfolge gebracht und umbrochen werden. Das braucht ein kleines Maß an Leidensfähigkeit und je ein großes Maß an Geduld, Überblick und Wissen rund um Neuauwiewitt. Herzlichen Dank, Carl B.! Morgen geht der neue Pfarrbrief online.


Über das Letzte im Leben (Donnerstag)

1-Heft-Sterben-ng14-H_2_titel„Sterben ist das Letzte. Wie wir uns auf den Tod vorbereiten“ – so lautet der Titel eines frisch erschienenen Heftes. Seine Texte laden Ehepartner, weitere Familienangehörige und Freunde ein, über den eigenen Tod zu diskutieren.

Wichtige Fragen, die angesprochen werden: Wie wünschen sich Menschen ihr Lebensende? Wie können Beteiligte mit der oft eigenen Sprachlosigkeit oder Ohnmacht umgehen? Wie kommen sie mit der Sprachlosigkeit anderer zurecht, die oft das Falsche sagen, obwohl sie das Richtige rüberbringen möchten.

Das Heft ist jüngst in der Reihe „neue gespräche: Partnerschaft – Ehe – Familie“ erschienen. Ein Abonnement (sechs Hefte im Jahr) kostet 10 Euro, ein Einzelheft 3,50 Euro, jeweils zuzüglich Versandkosten. Probehefte gibt es beim Bischöflichen Generalvikariat Münster, Referat Ehe- und Familienseelsorge unter der E-Mail-Adresse familien@bistum-muenster.de oder unter Tel. 0251 / 495-466.

Anregende Lektüre und gute Gedanken!


Spatzen säen nicht (Mittwoch)

Aus einem unserer Vogelhäuschen sind gestern zum ersten Mal die Jungspatzen ausgeflogen. Die Federbüschchen hüpfen wie Sprungbälle durch den Garten. Und natürlich werden sie draußen von den Elterntieren noch gefüttert.

Wie heißt es im Matthäus-Evangelium? „Schaut die Vögel des Himmels: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in Scheunen – euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht mehr wert als sie?“

Wir sind es und dürfen ab und an etwas unbekümmerter in den Tag schauen.

2-3-Spatzenfuetterung

Elternspatz und Kindspatz gestern im Gestänge eines Futterhauses vor unserem Wohnzimmer.


Herr, wirf Hirn vom Himmel (Dienstag)

Als junge Journalistin, also vor langer, langer Zeit, besuchte ich die Jubiläumsgala eines Sportvereins. Funktionäre von höheren Verbänden waren angereist. Einer hielt eine Rede. Der Mann schwadronierte über die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, die gesundheitspolitische, volkswirtschaftliche, persönliche, kameradschaftsbildende… dann schmetterte er seinen Schluss-Satz ins Publikum: „Nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.“

Vielleicht wäre ich gar nicht zusammengezuckt, wenn nicht mein Platz wegen Überfüllung des Festzeltes ganz weit hinten gewesen wäre. Und ganz weit hinten stand ein halbes Dutzend Rollstuhlfahrer. Wie die sich fühlen mochten! Am liebsten hätte ich „Buh“ gebrüllt. Ich traute mich nicht. Alles klatschte. Nur die Rollstuhlfahrer nicht.

Heute könnte ich dem Funktionär folgende Information um die Ohren hauen. Der römische Dichter Juvenal, der kurz nach Christi Geburt lebte und den Satz als erster schriftlich niedergelegt hat („Mens sana in corpore sano“), war ein Satiriker, der sich über den Sportwahn seiner Zeit lustig machte, vor allem darüber, dass die Dickschädelgröße mancher Sportskanone im umgekehrten Verhältnis zu seinem Denkvermögen stand (womit der Funktionär, den Juvenal noch gar nicht kannte, vielleicht gut beschrieben ist).

Schauen wir mal ein bisschen genauer hin, was Juvenal gesagt hat: “Orandum est ut sit mens sana in corpore sano” – auf gut Deutsch: „Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist stecken möge.”

Oder wie der Nicht-Lateiner zu rufen pflegt: „Herr, wirf Hirn vom Himmel.“


So, jetzt übergebe ich (Sonntag)

Wir beiden Turmflüsterer haben uns vor langem angewöhnt, jeden Abend gemeinsam zu beten. Wir beginnen mit zwei „Standardgebeten“. Dann hat Martin das Wort. Er besinnt sich einen Augenblick, ehe er Dank sagt: für den erlebten Tag, einen lieben Anruf, eine Karte oder einen guten Gedanken. Dann folgen seine Bitten: fast immer für seine 98-jährige Mutter, die sich um ihn sorgt, für Menschen, die Hilfe brauchen, oder für eine ruhige Nacht.

Er schließt mit dem Satz: „So, jetzt übergebe ich an Delia.“ Ich erzähle meinen Tag und staune, wie viel Dankenswertes uns begegnet ist. Dann fühlen wir uns ganz verbunden, miteinander und mit dem Höchsten dort oben.