2014-06-01-Turmgeflüster
Von Delia Evers | Von Gott ausgesucht (Sonntag)
Heute war eine Freundin vom Niederrhein zu Besuch: unsere wunderbare Claudia, die an einer Förderschule unterrichtet. Wir sprachen über Leben und Tod. Claudia erzählte, einmal sei der Vater einer Schülerin gestorben; die Kinder hätten sie gefragt, warum Gott dem Mädchen den Vater weggenommen habe. Claudia hatte atemlose Sekunden – bis das Mädchen antwortete: „Der liebe Gott braucht ein paar gute Menschen um sich. Da hat er meinen Vater gerufen.“ Das fanden die anderen Kinder toll. Von Gott ausgesucht und beim Namen gerufen. Das sind wir alle. Früher oder später.
Herzlich
Eure Turmflüsterin
Caritas knallhart? (Samstag)
Ein Interview zum Katholikentag mit dem ehemaligen Bundesfamilienminister und Generalsekretär der CDU Heiner Geißler gestern in diversen Zeitungen brachte ein paar markante Sätze des 84-Jährigen zu Tage.
Hart ging Geißler mit der Katholischen Kirche in puncto Nächstenliebe ins Gericht. Sie verlagere sie in betriebswirtschaftlich geführte Organisationen wie die Caritas. Da werde sie unter ökonomischen Gesichtspunkten verwaltet. Dieses Ersetzen von Zuwendung durch finanzielle Aspekte bezeichnete Geißler als Gift.
Den Vorwurf warf der Ex-Politiker pauschal in den Raum. Ich weiß zwar aus eigener Erfahrung, dass es Caritasverbände gibt, die wie ein hartes Wirtschaftsunternehmen geführt werden, aber es geht auch anders. Das zeigt der Caritasverband Ostfriesland, dem es in erster Linie um die Menschen geht, die Hilfe brauchen, und der es unter seiner Geschäftsführerin Stefanie Holle vorbildhaft versteht, diesen Menschen durch vielfältigste Angebote zur Seite zu stehen.
Wer sich selbst auf der Webseite der Caritas informieren möchte, ist für ein Streitgespräch mit Heiner Geißler bestens gerüstet.
Höchste Selbstmordrate (Freitag)
Am Tag der Europawahl gingen auch die litauischen Bürgerinnen und Bürger an die Urnen – um u.a. ihren Staatspräsidenten, genauer: ihre Staatspräsidentin zu wählen. Sie entschieden sich erneut für Dalia Grybauskaite. Die Stichwahl gewann sie mit knapp 58 Prozent. Die 58-Jährige ist ein politisches Schwergewicht, erfahren auf internationalem Parkett, firm in fünf Sprachen, fit in Karate (schwarzer Gürtel) und mehrfach geehrt u.a. mit so würdigen Auszeichnungen wie dem internationalen Karlspreis zu Aachen.
Unsere litauischen Freunde können eine gute Staatspräsidentin gebrauchen, die vor allem für die Außenpolitik zuständig ist. Gerade in Europa kann sie für ihr Land viel bewegen.
Noch immer leben sehr viele Menschen weit unter der Armutsgrenze; sehr viele Männer sind Trinker; die Lebenserwartung ist weit niedriger als die in Deutschland; die Selbstmordrate in Litauen ist die höchste der Welt. Da ist einiges im Staat zu leisten.
Wünschen wir der alten, neuen Präsidentin, dass sie eine glückliche Hand hat, damit es allen Litauern mitsamt unseren Freunden besser gehen möge.
Bis zum Ende der Welt (Donnerstag)
Heute ist „Himmelfahrt“. So heißt der Feiertag verkürzt in mancher Zeitung. Himmelfahrt ist richtig was los: Da muss mancher Papa aufpassen, dass er seinen Führerschein nicht verliert, wenn er angeschickert durch die Gegend radelt.
Ganz andere Sorgen hatten vor 2000 Jahren die Jünger Christi. Ihnen dämmerte langsam, dass sie IHN auf Erden verlieren würden. Er gab ihnen letzte Anweisungen und machte seltsame Zusagen, die sie lieber nicht hinterfragten: „Johannes hat mit Wasser getauft. Ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft.“ Kurz darauf wurde er in den Himmel emporgehoben. Die Jünger starrten ihm hinterher, bis zwei Männer in weißen Gewändern sie mit leicht spöttischer Frage erdeten: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Nicht zum Himmel sollen wir schauen, sondern auf die Erde und hier im Namen dessen wirken, der uns seinen Beistand zugesagt hat mit dem immer tröstenden Satz: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Gläserpolitur vom Generalvikar (Mittwoch)
Ein hübcher Schnappschuss gelang Hildegard Lüken. Nach der Firmung in Aurich erwischte sie den Vertreter des Bischofs, Generalvikar Theo Paul, beim Küchendienst. Der Kirchenmann wienerte mit Hingabe Trinkgläser und machte bei dieser Handarbeit eine gute Figur. Offenkundig hatte er nicht zum ersten Mal ein Geschirrtuch in den Fingern. Wie das Foto beweist, schaffte er die Politur, ohne erkennungsdienstliche Fingerabdrücke zu hinterlassen.
Weiterhin frohes Schaffen!
Generalvikar Theo Paul beim Küchendienst.
Wohin geht die Reise? (Dienstag)
„Jetzt gehe ich zu dem, der mich gesandt hat, und keiner von euch fragt mich: Wohin gehst du? Vielmehr ist euer Herz von Trauer erfüllt, weil ich euch das gesagt habe.“ So sprach Jesus zu seinen Jüngern. Das lesen wir heute im Tagesevangelium.
Als meine Mutter im vergangenen Jahr im Sterben lag, erwähnte ein Familienangehöriger immer wieder – und es klang beinahe trotzig -, mit ihr nie über „letzte Dinge“ zu sprechen, auch nicht über Gott, nur über die Welt. Er blendete in seiner Hilflosigkeit aus, dass sie sterben würde und sich für die Welt nicht mehr sonderlich interessierte; er wollte nicht wissen: „Was glaubst du? Wohin geht deine Reise?“ Er war von Trauer erfüllt. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das, was meine Mutter erhoffte und erwartete, alles übertreffen würde, was sie je erlebt hatte. Er verhielt sich wie die Jünger. Sie wollten Jesus nicht verlieren und begriffen nicht, dass sie ihn auf Erden loslassen mussten, um seinen göttlichen Beistand zu gewinnen.
Immer wieder müssen wir loslassen, was wir lieben. Ich wünsche uns allen, dass wir im entscheidenden Augenblick eine Antwort auf die Frage haben: „Wohin geht die Reise?“
Herzlich
Eure Turmflüsterin
Eine bunte Woche (Montag)
Den Montag möchte ich heute ausnahmsweise blaumachen – und ein bisschen orangemachen: mit diesem herrlichen Riesenmohn, der in unserem Garten leuchtet. Allerdings halten die Blüten – jede zwei Handteller groß – höchstens zwei Tage. Macht nichts: Dann sind schon die nächsten da.
Eine bunte Woche!
Gestatten! Riesenmohn vom Feldweg in Großheide.
Menschen ohne Grenzen (Sonntag)
Seit Donnerstag – bis zum heutigen Sonntag – wählt Europa mit seinen 28 Mitgliedsstaaten ein neues Parlament. Europa ist wichtig! Wenn am Pfingstwochenende eine Gruppe aus unserer Pfarreiengemeinschaft nach Litauen aufbricht, um Hilfsgüter zu unseren Freunden zu bringen, werden die Unseren gleich mehrere Straßen nutzen, die ohne die Finanzspritzen der EU längst nicht mehr passierbar wären. Europa hilft in jeder Hinsicht, Menschen einander ohne Grenzen näher zu bringen.
Papst Franziskus sagte es gestern am ersten Tag seiner Nahostreise in Amman so: „Die Verschiedenheit der Menschen und des Denkens darf nicht Ablehnung und Hindernisse auslösen, denn Vielfalt ist immer eine Bereicherung.“ Nur wenn sich das Bewusstsein dafür durchsetze, dass alle das gleiche Blut in sich trügen und alle Kinder des einen Vaters im Himmel seien, könne sich Frieden festigen.
Wer heute wählen geht, leistet seinen Beitrag zu einem Stückchen Frieden in Europa.