2014-09-06-Turmgefluester

Von Delia Evers |Da ist er mitten unter uns (Sonntag)

Was können wir tun, wenn wir bei jemandem ungutes Verhalten entdecken? Ihn liebevoll ansprechen! Und wenn das nicht hilft: Einen Vertrauten hinzuziehen, am besten einen, der beide Seiten sehen kann…

So ähnlich empfiehlt es Jesus. Wir hören heute im Evangelium davon.  Jesus geht einen Schritt weiter. Am Ende sagt er: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.“ In Christi Namen versammelt sind wir im Gebet. Darin können wir dem nahe sein, der sich ungut verhalten hat, und um himmlische Unterstützung für eine Umkehr bitten – für den anderen und oft auch für uns, denn selten ist es allein der andere, der sich ungut verhalten hat. Dann dürfen wir gewiss sein: Christus ist bei uns.

Herzlich
eure Turmflüsterin


Ein Krieg ist nie wirklich zu Ende (Samstag)

Heute ist ein Tag der Erinnerung besonders für viele Emder: Vor 70 Jahren schossen 181 alliierte Bomber die Hafenstadt binnen einer halben Stunde zu lodernden Schuttbergen zusammen.

Eingebrannt sind die Schreckensbilder im Gedächtnis der Menschen, die heute noch leben, damals also Kinder oder Jugendliche waren. Viele von ihnen haben geliebte Menschen verloren. Fast alle standen ohne das Hab und Gut der Familie da.

Das dürfen wir nicht vergessen: Ein Krieg ist nie wirklich zu Ende. Er wirkt in denen, die ihn überlebt haben, weiter. Auch das ist ein Grund, im Großen wie im Kleinen Frieden zu halten.


Ein Hauch von Ewigkeit (Mittwoch)

Ein Mensch stirbt, allein, einsam, von allen vergessen. Angehörige? Freunde? Fehlanzeige.

Um solche Verstorbene kümmert sich im Film „Ein Hauch von Ewigkeit“ John May (Eddie Marsan), ein einfacher Angestellter einer Londoner Sozialbehörde. Er ist selbst ein einsamer Mensch.

Mit Hingabe sucht er nach dem Leben der Verstorbenen, um ihnen bei der Beerdigung eine eigene Würde zu geben. Er geht in ihre Wohnungen, nimmt auf, was die Verstorbenen hinterlassen haben, rekonstruiert ihr Leben, sucht doch noch nach Verwandten und wird oft nicht fündig. Meistens ist er neben einem Geistlichen der einzige am Grab. Er hat alles organisiert und gut gerichtet. Er ist ein Mensch mit einem großen Herzen für die Vergessenen dieser Welt.

Der Film von Uberto Pasolini wird als echt britisch und liebenswürdig humorvoll beschrieben.

Aber der Humor hat seine Grenzen. John May bekommt erst einen neuen Mitarbeiter, der im Zuge besserer Arbeitsergebnisse die Asche der armen Einsamen einfach ohne weiteres Tun verstreuen lassen möchte. Und dann kommt noch eine neue Chefin. John May – auch sein Leben wird uns Stück für Stück aufgetan, so wie er die Leben der Toten auftut – erhält seine Kündigung. Noch drei Tage. Ihm bleibt ein letzter Fall. Es wird sein ganz großer.

Der Film gibt einen Blick frei auf das Leben, wie es heute tatsächlich für viele endet. Es ist niemand mehr da, der sich kümmert.

Wie schön, dass es in unserer Pfarreiengemeinschaft so viele Menschen gibt, die sich doch kümmern.

Sonntag saß in der St.-Ludgerus-Kirche Aurich eine alte Dame, die fast blind ist. Sie erzählte ihrer Banknachbarin von ihren Sorgen. Was denn sei, wenn sie ganz blind werde und nicht mehr zur Messe kommen könne. Die Nachbarin tröstete sie. Die Dame werde ja jetzt schon sonntags vom Bullidienst abgeholt. Ganz sicher falle der Gemeinde etwas ein, auch wenn die Dame einst blind werden sollte.

Die Jüngere drückte den Arm der alten Dame. Beim Abschied sagte die fast blinde: „Dann sehen wir uns also wieder.“


Bis zum Himmel (Dienstag)

Einen hübschen Witz hörte ich neulich. Treffen sich beim Aufstieg auf einen Berg zwei Kletterer. Der eine überholt den anderen. Sagt der Langsamere herzlich: „Grüß Gott!“ Sagt der Schnellere: „So hoch wollt‘ ich nicht hinauf.“

Ist trotzdem ein guter Rat: bei unseren täglichen Hänge- und Kletterpartien ab und an mal Gott zu grüßen.


Von Delia Evers | Heute vor 75 Jahren (Montag)

Heute vor 75 Jahren überfiel Hitler-Deutschland seinen Nachbarn Polen und entfesselte den Zweiten Weltkrieg. Dazu nutzten die Deutschen eine Lüge. Angeblich hatten polnische Soldaten im Grenzgebiet den Rundfunksender Gleiwitz angegriffen. In Wirklichkeit steckten in den polnischen Uniformen deutsche Soldaten.

Längst ist die Welt wieder in Brand gesteckt, und Deutschland, der Brandstifter von einst, tut sich schwer mit seiner Verantwortung in der Welt. Seit gestern ist klar: Unser Land wird Waffen an die Kurden im Nord-Irak liefern, um bedrängten Menschen gegen die Terrormilizen des Islamischen Staats zu helfen.

In der jüngsten „Zeit“ las ich am Wochenende einen Satz, der mich berührt hat. Wolfgang Huber, Theologe und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat ihn in einem Interview gesagt: „Für mich schließt das Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ das Gebot ‚Du sollst nicht töten lassen‘ ein. Wir bewegen uns nicht außerhalb des Tötungsverbotes, wenn wir verhindern wollen, dass der Islamische Staat morgen wieder Kinder tötet, Frauen vergewaltigt, Männern den Kopf abschlägt.“

Papst Franziskus sagte in einem Interview: „Die Menschheit hat ein Recht, dem ungerechten Angreifer Einhalt zu gebieten. Aber auch der Angreifer hat ein Recht, zurückgehalten zu werden, damit er nichts Böses tut.“

Wir können dafür beten, dass dieses Recht der Angreifer gestärkt wird.

Herzlich
eure Turmflüsterin


Von Delia Evers | Fast ein bisschen wie im Zoo (Sonntag)

Mittwochnachmittag bin ich zu einem kleinen Ausflug nach Neßmersiel gefahren. Ich dachte: „Ist relativ spät. Vielleicht hat das Kassenhäuschen schon geschlossen, und du kannst für eine halbe Stunde am Strand entlang laufen.“

Fehlanzeige. Das Kassenhäuschen war besetzt. Wie in einem Käfig, nur zum Watt hin offen, tummelten sich die Badegäste. Diesseits des „Käfigs“ saßen auf Bänken Menschen und betrachteten das Strandgeschehen, fast ein bisschen wie im Zoo. Ich verzichtete auf den Spaziergang. Die halbe Stunde hätte mich drei Euro gekostet. Die mochte ich für das Käfiggefühl, das mir in der schönsten Natur geblieben wäre, nicht eintauschen.

Die schönste Natur eingezäunt, um Geld zu machen durch Menschen (oft mit Kindern), denen nichts anderes übrig bleibt, als zu löhnen! Denn wegen Strand und Meer sind sie ja gekommen.

Als ich am Zaun stand, kam eine Familie mit einem Jungen vorbei. Der Kleine heulte, fuchtelte mit einem Schüppchen vor den Augen seines Vaters herum und jammerte hoffnungslos: „Dann buddel‘ ich mich eben unterm Zaun durch.“ In der anderen Hand trug er ein Eimerchen. Er wollte einfach nur zum Spielen in den Sand. Die Eltern hatten offenbar nicht das Geld für den Eintritt. Vom natürlichsten Spielen und vom natürlichsten Spazieren ausgesperrt! Am Weltnaturerbe.

Warum müssen wir eigentlich bezahlen, was wir geerbt haben?


Ruhig und ratlos (Freitag)

Wir alle kennen das Evangelium nach Markus, das über die Enthauptung von Johannes berichtet. Heute wird es in den Heiligen Messen verkündet. Ein Satz darin hat mich sehr angesprochen. Herodias, die Frau von Herodes, will den Täufer töten lassen. Herodes jedoch fürchtet sich vor ihm, „weil er wusste, dass dieser ein gerechter und heiliger Mann war.“ Und jetzt folgt „mein“ Satz: „Sooft Herodes mit Johannes sprach, wurde er ruhig und ratlos, und doch hörte er ihm gern zu.“

Ruhig und ratlos: Was für ein Wortpaar! Da scheint etwas von dem durch, was wir häufiger in der Bibel finden. Jemand bekommt seinen Rat nicht mehr durch den Verstand. Sein Herz tritt ein; oder er spürt doch wenigstens, dass es eintreten könnte. Das haben wir unlängst noch gehört. Salomon, dem Gott einen Wunsch frei gestellt hatte, bat den Höchsten um ein hörendes Herz.

Herodes ist drauf und dran, ein solches Herz zu entwickeln, das weder vom kühlen Verstand, noch vom heißen Gefühl geleitet wird, sondern sich vor Gott und der Welt für eine umfassende Zuneigung öffnet. Doch dann lässt Herodes lieber einer Intrige mit tödlichem Versprechen ihren Lauf, als den zu retten, den er selbst als heiligen Mann erkannt hatte, Johannes, der ihn ruhig und ratlos werden ließ.


Über beharrliche Mütter (Mittwoch)

Heute lobe ich aus besonderem Anlass die Mütter dieser Erde. Immer haben sie auf ihre Kinder einen Einfluss. Manchmal zeitigt er weniger Gutes, oft mehr Gutes und mitunter Heilbringendes. Das sei heute über eine Mutter gesagt, die aus Nordafrika stammt. Die Sorge um ihren Sohn hat Geschichte geschrieben. Der führte ein ausschweifendes Leben. Sie bestürmte Gott mit Gebeten, behelligte den Sohn immer wieder mit Mahnungen und ihrem Drängen, sein Verhalten zu ändern.

Er floh regelrecht vor ihr. Doch irgendwann zwischen den Jahren 380 und 387 nach Christus erreichte Mutter Monika, dass ihr Sohn Augustinus sich bekehrte und taufen ließ. Was haben wir heute dieser mütterlichen Beharrlichkeit zu verdanken! Ohne sie würden wir ihren Sohn nicht kennen, und seine bahnbrechenden Kirchenlehren wären niemals verfasst worden.

Heute feiern wir den Namenstag der Heiligen Monika, dieser Mutter, die ihren Sohn einfach nicht aufgeben wollte.


Es gibt Dinge, die gibt es gar nicht (Sonntag)

Im Baumarkt stand eine Dame zusammen mit anderen Kundinnen und Kunden an der Kasse und wartete darauf, ihr Geld loswerden zu können. Da stürmte von vorn ein Mann heran, drückte die Dame, die gerade „in Behandlung“ war, mit gehetztem Blick zur Seite und rief haspelnd: „Wo haben Sie Kaninbenzister?“ Die Kassiererin starrte den Herrn fassungslos an.

Die verdrängte Kundin hingegen verstand und sagte lächelnd: „Sie sind mit Ihrem Wagen liegen geblieben?“ Der Mann nickte. Die Frau bot an: „Ich habe etwas Zeit. Ich fahre Sie zur Tankstelle und dann zu Ihrem Auto.“ Sie wandte sich an die Kassiererin: „Und wo finden wir die Benzinkanister?“

Einen schönen Sonntag!


Tummelplatz unter der Ems (Donnerstag)

Gestern fuhr ich „ebkes“ an den Niederrhein und zurück. Ein sehr liebes Familienmitglied hatte Geburtstag. Vor die freie Fahrt hatten die Bauarbeiten im Emstunnel allerdings eine gehörige Wartezeit gesetzt. Als ich den Tunnel endlich hinter mir hatte, steuerte ich den ersten Parkplatz an und simste der Feiergesellschaft: „Komme später, stand im Emstummelstau.“ Die SMS war gerade geschickt, als mein Blick noch einmal auf das Display und damit auf das neu geschöpfte Wort fiel. Gar nicht schlecht: Unter der Ems sind Tunnel- und Tummelplatz eine Einheit.

Allen, die im Urlaub oder sonstwo unterwegs sind, wünsche ich getümmelfreie Fahrt.


Beschütze alle Freundschaften (Dienstag)

Im ökumenischen Gottesdienst zum Abschluss des Stadtfestes lasen Sprecherinnen und Sprecher inhaltsschwere Fürbitten vor. Eine möchte ich hier vorstellen:

„Lebendiger Gott, wir danken dir für die Freunde in unserem Leben. Wie viele mit uns unseren Weg gegangen sind, weißt du allein. Wer könnte sie zählen? Wir sind dankbar für alles gemeinsame Lachen, die Freude aneinander, die gemeinsame Begeisterung und das Vertrauen, das dabei gewachsen ist. Beschütze du alle Freundschaften, lass uns wach, mutig und kreativ neue Freunde finden und alte Freundschaften pflegen. Und heile den Schmerz, wenn Freundschaften zerbrechen.“

Wir bitten dich, erhöre uns!


Freunde findest du (Samstag)

Seit gestern tobt das Auricher Stadtfest. Morgen endet es mit einem ökumenischen Gottesdienst, der um 11 Uhr vor dem Schloss beginnt. Unser Pfarrer Johannes Ehrenbrink predigt zum Thema „Freunde findest du – Familie has(s)t du“. Für Musik sorgen Posaunenchöre und Gospelchöre. Nach der Feier ist Zeit für Gespräche, Begegnungen und Kulinarisches.

Der Wetterbericht droht Regen und die Abwesenheit der Sonne an (sie soll vor lauter Graus vor dem Wetter ihre Fucht jenseits der Wolken angetreten haben, denn verbürgt ist, dass dort die Sonne scheint). Also bitte: Finden wir uns mit dem Wetter ab und stellen uns, flexibel wie wir sind, einfach darauf ein: Regenjacken und Gummistiefel fertiglegen, einmal tief durchatmen und morgen früh auf zum Gottesdienst!


Ein Gott, der sich einmischt (Dienstag)

Gestern jährte sich zum 750. Mal der Tag einer besonderen Einrichtung. Am 11. August 1264 führte Papst Urban IV. durch die Bulle Transiturus das Fronleichnamsfest für die Weltkirche ein. Zwar liegt Fronleichnam in diesem Jahr schon einige Wochen zurück, aber an den Sinn der Feier darf gern erinnert werden.

Mein Mann Martin Willing hatte im vergangenen Jahr einen Beitrag verfasst, der im Lexikon auf unserer Webseite nachzulesen ist.

Der Kern: Unser Gott setzt sich aus. Er ist mit den Menschen und in den Menschen. Er ist uns nah. Viel lieber ist manchem ein weit entfernter Gott, der Zurückhaltung bewahrt und sich nicht aussetzt. Da wird es dann belächelt, dass Menschen hinter einer kleinen Scheibe Brot herlaufen, es besingen und verehren als Sakrament der Nähe Gottes. Man traut Gott solche Weltlichkeit, solche Alltäglichkeit nicht zu. Ein so sehr weltlicher Gott ist irgendwie peinlich; das geht zu nah, zu weit, ist zu direkt.

Manchem steht ein ferner Gott wohl näher als ein Gott, der in unser Fleisch kommt, der hautnah wird, der sich in die inneren Angelegenheiten unserer Welt einmischt.


Jesus ist selbst hier mitten unter uns (Samstag)

stein-edithHeute feiern wir den Namenstag der Heiligen Teresia Benedicta vom Kreuz. Viele kennen sie besser unter ihrem weltlichen Namen Edith Stein. Die promovierte Philosophin war als Erwachsene vom jüdischen zum katholischen Glauben konvertiert (siehe auch den neuen, ausführlicheren lexikalischen Eintrag zu Edith Stein).

Zwei Ereignisse hatten ihren Umschwung ausgelöst. Ein befreundeter Bekannter starb. Sie wollte die Witwe trösten und erfuhr von der Katholikin und ihrer Glaubenskraft unversehens selbst Trost. Die zweite Begebenheit: Sie stieß auf eine Biographie der Heiligen Teresa von Avila. Edith Stein war im Inneren so erschüttert, dass sie sich taufen ließ.

Sie dozierte an der Universität in Münster, bis ihr 1933 wegen ihrer jüdischen Wurzeln jegliches Lehren verboten wurde. Sie trat in den Kölner Karmel ein und wirkte dort als Teresia Benedicta a Cruze (Teresia, die vom Kreuz gesegnete). Nach der Reichspogromnacht floh sie in das holländische Kloster Echt, wo die Gestapo sie zusammen mit ihrer Schwester Rosa am 2. August 1942 verhaftete. Die Oberin soll sie verraten haben, um ihr Kloster vor der Schließung zu bewahren.

Selbst auf dem Weg zu den Gaskammern von Auschwitz blieb sie fest im Glauben: „Jesus ist auch hier mitten unter uns.“ Heute jährt sich der Tag ihrer Ermordung. Am 9. August 1942 wurden die beiden Schwestern vergast. Papst Johannes Paul II. sprach Teresia Benedicta am 11. Oktober 1998 heilig und ernannte sie ein Jahr später zu einer der Patroninnen Europas.

Aus Leid wuchs Gutes.