2014-09-14-Turmgefluester

Von Delia Evers | Antisemitismus ist Gotteslästerung (Montag)

Eine demonstrierende Bundeskanzlerin! Das hat es nicht häufig gegeben. Gestern verurteilte Angela Merkel jede Form von Antisemitismus. Jüdisches Leben gehöre „unmissverständlich zu Deutschland“ und seiner Kultur. Das sagte sie gestern in Berlin auf einer Großkundgebung vor dem Brandenburger Tor. Der Zentralrat der Juden hatte dazu aufgerufen. Mehrere tausend Bürger nahmen teil.

Der Präsident des Zentralrats der Juden Dieter Graumann freute sich über die vielen Menschen, sagte allerdings auch, es stimme ihn traurig, dass eine solche Kundgebung überhaupt nötig und erst durch das Engagement der jüdischen Gemeinde möglich geworden sei. „Ein Stück mehr Gefühl, mehr Empathie hätte ich mir schon gewünscht in der Gesellschaft in diesen Wochen.“

In jüngster Vergangenheit war es wiederholt zu antijüdischer Hetze gekommen, vor allem im Umfeld von Demonstrationen gegen Israels Politik.

Unterschiedliche Meinungen über Politik sind der Treibstoff jeder Demokratie. Diese Meinungen als Vehikel für Hass zu missbrauchen, ist menschenunwürdig.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx versprach den jüdischen Mitbürgern: „Sie sind nicht alleine, wir stehen an Ihrer Seite.“ Schulter an Schulter müsse auch der Alltagsantisemitismus bekämpft werden. „Der Hass der Wenigen wird mächtig durch das Schweigen der Vielen.“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Nikolaus Schneider und Marx erinnerten an die Verantwortung der Kirchen, die auch aus der Geschichte gewachsen sei. Schneider sprach einen starken Satz: „Antisemitismus ist Gotteslästerung.“

Herzlich
Eure Turmflüsterin


Wenn der Vatikan twittert (Sonntag)

Eigentlich gibt es nichts, wofür nicht ein Welttag gefeiert wird. Heute begehen wir einen, den ich sinnvoll finde: den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. Hätten Sie sich einen Papst Johannes Paul II. vorstellen können, der twittert? Längst fliegen Kurznachrichten aus dem Vatikan in die Welt und tun ihre Wirkung.

Ein bisschen ist es so wie mit dem elektrischen Strom. Als er im ausgehenden 19. Jahrhundert flächendeckend eingeführt werden sollte, malten besorgte Klugköpfe Schreckensszenarien in die mit Petroleumgestank verseuchte Luft: Das sei der Weltuntergang; die Elektrizität entfessele Gottes Natur und ziehe womöglich den Teufel nach.

Heute haben wir nicht mehr so viel Pathos, aber die Denkrichtung ist die gleiche. Bloß nicht diese umwälzenden Neuerungen. Dabei müssen wir uns nur daran gewöhnen, verantwortungsbewusst mit ihnen umzugehen. Wie immer gilt: Nicht die Mittel sind schlecht, sondern allenfalls unser Umgang mit ihnen.

Die sozialen Kommunikationsmittel ermöglichen eine Fülle guter Kontakte, Informationen und Teilhabe am Leben – zum Beispiel über den neuen Pfarrbrief, unsere Webseite, die Vermeldungen im Gottesdienst, ja, über die Gottesdienste selbst.


Ein besonderer Namenstag (Freitag)

Heute haben weltweit ganz viele Frauen Namenstag. Eine wollen wir besonders erwähnen, die Urheberin: Maria, die Mutter unseres Herrn. Wir feiern Mariä Namen.

Viele Mädchen werden auf diesen schönen Namen getauft (am Rande: Die Turmflüsterin heißt Delia Eva Maria). Neulich recherierte ich für einen Zeitungsbericht eine Geschichte im Wallfahrtsort Kevelaer und fragte meine Gesprächspartnerin: „Wie heißen Sie mit Vornamen?“ Sie: „Ich bin in Kevelaer geboren. Dreimal dürfen Sie raten.“ Ich schaffte es im ersten Anlauf.


… saßen einst zwei Hasen (Donnerstag)

Gestern Abend schaute ich aus meinem bodentiefen Wohnzimmerfenster und freute mich über den Besuch, den ich gleich davor auf der Wiese sitzen sah. Schon zu Ostern hatte mich ein Hase erfreut, der sich an gleicher Stelle in voller Schönheit aufgebaut hatte. Den ganzen Sommer über sah ich ihn immer mal wieder allein und mümmelnd im Garten. Und gestern: … saßen einst zwei Hasen, fraßen ab das grüne, grüne Gras bis auf den Rasen.

„Mein“ Hase hat offenkundig Anschluss gefunden (vielleicht kann ich demnächst an dieser Stelle von einer Hasenschule berichten).

Apropos Schule: Früher, in meiner Kinderzeit, begann das Schuljahr zu Ostern. Für die Kinder in Niedersachsen ist heute der erste Schultag nach den Ferien. Ihnen und den Erstklässlern, die noch einen Tag Ruhe haben, eine gute Zeit!

Herzlich
Eure Turmflüsterin

2014-09-10-zwei-hasen-bearbeitet

… zwei Hasen in meinem Garten.


Spannende Zeit (Mittwoch)

Mit einer Denkschrift hat der belgische Bischof Johan Bonny im Vorfeld der Familiensynode in diesem Herbst die Kirche „aufgemischt“. Offen und beherzt setzt er sich mit mehreren Lehrschreiben und der Synodenstruktur auseinander.

Die Webseite katholisch.de lässt Ulrich Ruh, den ehemaligen Chefredakteur der Herder Korrespondenz, in einem Interview zu Wort kommen. Ruh freut sich über die Denkschrift (die er ins Deutsche übersetzt hat). Es müsse endlich um die besseren Argumente gestritten werden, ohne die Tradition aus den Augen zu verlieren (nur über die Tradition könne sich die Kirche ihre Botschaft aneignen). Ruh beklagt, dass es schon lange keine offene Diskussionskultur in der Kirche mehr gebe. Sie müsse von den Bischöfen neu erarbeitet werden.

Ruh ist guter Hoffnung, dass Papst Franziskus Diskussionen zulassen werde. Seine Fragebogenaktion zum Thema Ehe und Familie bei den Ortskirchen sei etwas gewesen, dass es nie zuvor gegeben habe. Franziskus habe den klaren Willen, die Synode zu Wort kommen zu lassen.

Ruh selbst wünscht sich eine Kirche, die nicht mit einem Schlag umgekrempelt, aber bei einigen für die Menschen wichtigen Positionen ehrlicher würde. Ehrlichkeit meine den Austausch von Argumenten und die Frage: „Was ist eigentlich die Tradition der Kirche und was gehört nicht verbindlich dazu?“ Das könne der Kirche nur nützen, denn es sei im Lauf der Jahrhunderte zu vielen lehramtlichen Verengungen gekommen, die nicht zu rechtfertigen seien.

Unsere Kirche lebt in einer spannenden Zeit.


Das Geschehen nahm seinen Lauf (Montag)

Niemand weiß, wann Maria, die Mutter Jesu, zur Welt gekommen ist. Trotzdem feiern wir heute ihren Geburtstag – er steht in enger Verbindung mit einem anderen wichtigen Feiertag, dem ihrer Empfängnis neun Monate zuvor.

Die Geburt unseres Erlösers können wir nicht denken ohne die Geburt und das Leben seiner Mutter, denn der himmlische Vater wollte, dass sein Kind als Mensch zur Welt kommt. Dazu bedurfte es eines Mädchens, das im Herzen bewegt „ja“ sagte – Maria. Das Heilsgeschehen nahm seinen Lauf.

Siehe auch neuen lexikalischen Beitrag Mariä Geburt.


Von Delia Evers |Da ist er mitten unter uns (Sonntag)

Was können wir tun, wenn wir bei jemandem ungutes Verhalten entdecken? Ihn liebevoll ansprechen! Und wenn das nicht hilft: Einen Vertrauten hinzuziehen, am besten einen, der beide Seiten sehen kann…

So ähnlich empfiehlt es Jesus. Wir hören heute im Evangelium davon.  Jesus geht einen Schritt weiter. Am Ende sagt er: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.“ In Christi Namen versammelt sind wir im Gebet. Darin können wir dem nahe sein, der sich ungut verhalten hat, und um himmlische Unterstützung für eine Umkehr bitten – für den anderen und oft auch für uns, denn selten ist es allein der andere, der sich ungut verhalten hat. Dann dürfen wir gewiss sein: Christus ist bei uns.