2015-01-31 Heinrich Hahnenkamp
Malteser wollen für Flüchtlinge da sein
Von Delia Evers | In Hauptversammlung Heinrich Hahnenkamp verabschiedet
Am Freitag, 30. Januar 2015, wurde Heinrich Hahnenkamp (Foto), Jahrgang 1939, auf eigenen Wunsch als Stadtbeauftragter der Malteser in Aurich entpflichtet und verabschiedet. Max Gerfried van Lengerich, der Kreisbeauftragte der Malteser für den Bereich Emsland, zu dem Ostfriesland gehört, vergoldete den Schritt mit etwas Goldenem.
Als van Lengerich eine Ehrung ankündigte, ging ein Raunen durch die Reihen: Er hatte für Heinrich Hahnenkamp die Goldene Verdienstplakette der Deutschen Assoziation des Souveränen Malteser Ritterordens dabei – die zugehörige Urkunde unterzeichnet von SMRO-Präsident Erich Prinz von Lobkowicz.
Alle im Saal standen „wie ein Mann“ auf, und während van Lengerich die Auszeichnung überreichte (Bild), setzte es lang anhaltenden Applaus.
Die Jahreshauptversammlung hatte mit einem Gottesdienst in der St.-Ludgerus-Kirche begonnen. Malteser Ulrich Kötting trug die Tageslesung aus dem Hebräer-Brief vor: „Werft eure Zuversicht nicht weg, die großen Lohn mit sich bringt. Was ihr braucht, ist Ausdauer, damit ihr den Willen Gottes erfüllen könnt und so das verheißene Gut erlangt.“
Heinrich Hahnenkamp hatte sich eine der Fürbitten ausgesucht: „Lass uns Zeugen sein für deine Liebe in dieser Welt, und hilf uns immer wieder neue Wege zu finden, wie wir deine Botschaft leben und verkünden können.“ Er erweiterte die Fürbitte um einen „Eigenanteil“ und bat um Hilfe für die Malteser und ihre Dienste am nächsten.
Gruppenbild der Malteser nach dem Gottesdienst.
Präses Johannes Ehrenbrink, wie Konzelebrant Carl Borromäus Hack mit „Malteser-Stola“ angetan, predigte über das Jesus-Gleichnis vom Sämann, der sein Feld bestellt, den Samen keimen und wachsen sieht und nicht weiß, wie das geschieht. Es sei wichtig zu unterscheiden, wo unsere Aufgaben liegen, wo wir selbst etwas tun und verantworten müssten und wo Gott gefragt sei. Da, wo wir mit unseren geistigen und körperlichen Kräften anpackten, könne aus kleinen Anfängen – wie aus dem Senfkorn in einem weiteren Jesus-Gleichnis – mit Gottes Hilfe Großes wachsen.
Mit diesen Worten war der Pastor längst bei den maltesischen Säleuten und besonders bei Sämann Heinrich Hahnenkamp, die aus den kleinen Anfängen der Litauen-Transporte Großes auf den Weg gebracht hätten. Ehrenbrink dankte Heinrich Hahnenkamp für zehn arbeitsreiche Jahre, in denen er immer wieder unglaubliche Fähigkeiten an den Tag gelegt, sein Beziehungsnetz genutzt, Spenden möglich gemacht und mit einer gewissen Listigkeit Gutes zugunsten der Freunde in Litauen bewegt habe.
Der Pastor wünschte Alfred Dellwisch, dem neuen ersten Mann der Malteser in Aurich, er möge die Stadtgliederung „mit der Gelassenheit des Sämanns in die Zukunft führen“. Johannes Ehrenbrink erinnerte noch einmal an den Hebräer-Satz: „Was ihr braucht, ist Ausdauer“. Während des ganzen Gottesdienstes hatte Alfred Dellwisch mit dem Malteser-Banner neben den Altarstufen gestanden und so auch bildlich deutlich gemacht, was er in seinen Händen weiß.
Alfred Dellwisch in der Kirche mit dem Malteser-Banner.
Im Bonihaus stand Heinrich Hahnenkamp ein letztes Mal bewegt und froh als Chef der Malteser vor seinen Kameraden und gab einen persönlichen Rückblick auf zehn Jahre Führungszeit, dankte für treue Begleitung, Hilfeleistung und Spaß während der gemeinsamen Arbeit. Natürlich vergaß er die Sponsoren nicht, nannte die Werkstatt für behinderte Menschen und die Unternehmung Stahl- und Metallbau Ihnen; beide stellen immer wieder Laster und teils Fahrer zur Verfügung.
Ein Glücksfall waren die Verbindungen von Heinrich Hahnenkamp, Oberstleutnant der Reserve, zur Bundeswehr. Sie stellte Lebensmittel und im Zuge ihrer Umstrukturierungen hochwertige Möbel zur Verfügung, mit denen ganze Einrichtungen in Litauen ausgestattet werden konnten.
Max Gerfried van Lengerich, der Hauptredner des Abends („Liebe Malteser und Nicht-Malteser“), hatte die Aufgabe, Heinrich Hahnenkamp nach all diesem segensreichen Tun zu entpflichten und zu verabschieden. Er skizzierte die Anfänge der Malteser in Aurich.
2005 hatte die Pfarreiengemeinschaft Neuauwiewitt einen ersten Hilfstransport nach Litauen auf den Weg gebracht, schon begleitet von Heinrich Hahnenkamp. Seit 2006, dem Gründungsjahr der Malteser Aurich-Wiesmoor, liegen Organisation und Verantwortung der Transporte in den Händen der Hilfsorganisation.
Max Gerfried van Lengerich sprach bei der Verabschiedung über die Aufbauarbeit und den nachhaltigen Erfolg von Heinrich Hahnenkamp, der Hochachtung verdiene. Er lobte ihn, es zeuge von großem Führungsstil, wenn jemand erkenne, wann die rechte Zeit sei aufzuhören, dankte dem Scheidenden für die „langfristige Einarbeitung des Nachfolgers“ und erhoffte sich mit einem etwas gewagten Zitat aus der französischen Erbmonarchie Kontinuität in der Amtsführung: „Der König ist tot, es lebe der König“.
Steffi Holle überreichte für die Malteser einen Schnuppkorb und eine tolle Fotocollage…
… die gleich in der Versammlung bewundert wurde.
Van Lengerich überreichte Alfred Dellwisch (57), der seit 2006 stellvertretender Stadtbeauftragter sei, die Ernennungsurkunde. Alfred Dellwisch sprach mehr zu sich: „Jetzt bin ich der Chef und kann auch was sagen.“ In der Einladung heiße es, er habe nun das Wort. So hielt er es und dankte mit einem Wort für das Vertrauen. Die Anwesenden wünschten mit kräftigem Applaus gutes Gelingen.
Abschied für Heinrich Hahnenkamp (r.) und Auftakt für Alfred Dellwisch (l.). Präses Johannes Ehrenbrink (rechte Ecke, unten) und Max Gerfried van Lengerich freuen sich.
Johannes Ehrenbrink sprach über die vielfältigen sozialen Aktivitäten und Anforderungen in der Gemeinde – und vor allem über die Arbeit, die zu tun bleibt. Er forderte die Malteser auf, weiterhin für Litauen stark zu sein und sich zudem vor Ort zu engagieren. Der Pastor sieht Handlungsbedarf im Bereich der Flüchtlingsarbeit: „Ich halte sie für eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre.“ Hier könnten Malteser mit ihrer Infrastruktur viel bewegen. Die Versammlung applaudierte. Ehrenbrink gab sich nicht zufrieden. Er hakte nach, ob der Applaus ein „Ja“ zur Mithilfe bedeute. Die Malteser bestätigten das.
Caritas-Geschäftsführerin Steffi Holle ergänzte die Einschätzung des Pastors aus ihrem praktischen Alltag. Hilfe werde dringendst gebraucht. Sie plädierte dafür, alle in der Stadt, die mit der Problematik befasst seien, an einen Tisch zu holen und gemeinsam nach bestmöglichen Lösungen zu suchen.
Alfred Dellwisch griff die Anregung des Pastors auf: Genau in diesem Bereich wollten und könnten sich die Malteser engagieren.
Da kam ein Geldgeschenk gerade recht. Pastor Carl B. Hack hatte zu seinem Silbernen Priesterjubiläum auf Geschenke verzichtet, um Spenden gebeten und die Summe noch tüchtig aufgerundet. Er überreichte Alfred Dellwisch einen Umschlag mit 1500 Euro für die Malteser und ebenso Steffi Holle einen Umschlag mit 1500 Euro für den VereinSubito.
Danach labten sich die Anwesenden an Grünkohl und Kartoffeln mit allerlei Fleischernem. Es war eine Versammlung, bei der sich auch die Gäste vom Verband, die teils von weiterher angereist waren, ausgesprochen wohl fühlten. In diese familiäre Auricher Maltesergemeinde kommen sie immer wieder gern.
Plötzlich waren die Hilfspakete weg
Schon in den 80er-Jahren bereiste Heinrich Hahnenkamp Polen
In gelöster Stimmung erzählte Heinrich Hahnenkamp aus seinem Leben. Am 6. Februar 1939 ist er in Lorup im Emsland zur Welt gekommen, wuchs auf dem elterlichen Hof auf, zu dem viel Heideland und eine Schafherde mit 130 Tieren gehörte. Zwar gab es einen Schäfer, aber wenn auf dem Gut andere Arbeit nötiger war, wurde er abgezogen. Dann hütete Heinrich die Schafe.
Einmal schenkte ihm der Großvater für seine Dienste eines der Tiere. Heinrich war fein heraus, denn ein Schaf konnte Lämmer bekommen, die er verkaufen durfte. So hatte er immer etwas eigenes Geld in der Tasche.
Heinrich Hahnenkamp lernte Landwirtschaft, machte sein Fachabitur und studierte. Er wurde Agrar-Ingenieur. Da sein Bruder wie vorgesehen den elterlichen Hof übernahm, suchte Heinrich sich eine andere Aufgabe und fand sie in der gemeinnützigen Niedersächsischen Landgesellschaft, die in großem Stil Flächen kauft, bevorratet, teils neu ordnet und wieder verkauft, um – wie eine Siedlungsgesellschaft – Siedlungsprojekte zu entwickeln und durchzuführen.
„Wir haben auch auf vielen einzelnen Höfen geholfen“, erzählt Heinrich Hahnenkamp; denn kleinere Projekte wie die Optimierung arbeitswirtschaftlicher Abläufe gehörten zu den Aufgaben ebenso wie die Beratung bei Stallneubauten oder bei Investitionen im Bereich erneuerbarer Energien.
Die längste Zeit verbrachte er in Aurich. Hier war er in den letzten 17 Jahren vor seinem Renteneintritt als Leiter seiner Einrichtung tätig.
Bereits Mitte der 80er-Jahre hatte Heinrich Hahnenkamp zufällig Kontakt zu Männern bekommen, die für einen Hilfstransport nach Polen Laster und Fahrer suchten. Fahren konnte Heinrich Hahnenkamp. Einen Laster hatte er zur Verfügung, und gereist war er immer schon gern. Er sagte zu und erfuhr erst später, dass er für die Malteser eingesprungen war.
„Mich hat das Ganze interessiert, und ein bisschen Abenteuerlust war wohl auch dabei“, erklärt er und schüttet gern ein ganzes Füllhorn an Geschichten aus. Einmal hatten er und sein Mitfahrer in der Obhut eines polnischen Klosters übernachtet und noch besondere Pakete im Laderaum des Lasters gehabt. „Wir hatten keine Ahnung, was drin war.“ Jedenfalls waren die Pakete plötzlich verschwunden.
Es war die hohe Zeit des Kalten Kriegs. Die Gewerkschaft Solidarność, fern der Heimat unterstützt von Papst Johannes Paul II., kämpfte unter Führung von Lech Wałęsa gegen die Herrschenden. Die Sache mit den verschwundenen Paketen war den beiden Deutschen nicht geheuer. Von irgendwoher erhielten sie immerhin die Zusicherung, sie müssten sich keine Sorgen machen. Alles sei den richtigen Weg gegangen.
Heinrich Hahnenkamp erzählt: „Erst nach der Wende haben wir erfahren, was in den Paketen gewesen war – Matrizen für die Solidarność.“
Ein anderes Mal waren sie schon auf dem Rückweg von einem Hilfstransport, hatten aber noch zwei Kartons voller Schokolade im Vorrat. Sie kamen an einer Schule vorbei. Die Kinder hatten Pause. Heinrich Hahnenkamp und sein Kompagnon stoppten kurzerhand, holten die Kartons hervor und verteilten die Schokolade. Die eilig herbeirennenden und schnauzenden Lehrer konnten die Kinder nicht stoppen. Alle Tafeln gingen weg.
2005 war er dann das erste Mal bei einem Litauen-Transport dabei (siehe oben).
Gern ist Heinrich Hahnenkamp für seine Frau Anni, seine drei Kinder, seine sieben Enkel und überhaupt die große Familie da, die mit seinen Geschwistern samt Partnern und Nachwuchs knapp 70 Leute umfasst. Sie treffen sich häufig und feiern gern. Etwa gleich groß ist die Familie seiner Frau.
Heinrich Hahnenkamp ist sehr an Geschichte interessiert. Auf ihren Spuren möchte er reisen. Das ist sein Wunsch für die nächsten Jahre.