2017-11-13 | Jörg und das beste Auto von allen

Wer einen besonderen Tag feiert, kann was erfahren. So ging es Pfarrer Johannes Ehrenbrink zu seinem 41. Weihetag (herzlichen Glückwunsch, lieber Johannes). Seine Freunde Monika und Jörg aus dem Emsland waren zu Gast. Und Jörg erzählte…

… sichtlich ergriffen, wie er mit seiner Liebsten Monika unlängst von einer Pkw-Fahrt nach Hause gekommen ist. Gesessen hatten sie in einem Auto jener Art, das – wenn man’s zulässt – der bessere Fahrer sein will.

Dann hält es halb autonom bei 100 Sachen auf der Autobahn die Spur – oder es steigt in die Eisen, weil gefühlt einen Kilometer weiter vorn ein anderer Wagen überholt – oder es prescht mit Karacho an das voranfahrende Vehikel heran, um urgemütlich zurückzufallen und den Hintermann in Hitzewellen zu baden.

Monika steuerte dieses Wunderwerk der Technik und der menschlichen Selbstbefreiung von der Freiheit in die heimische Garage. Sie griff ihre Siebensachen, entsprang leichtfüßig dem Auto und lief, wie es ihre vorauseilende Art ist, zur Verbindungstür ins Haus. Im Abflug drehte sie sich elegant um ein Viertel, schnippte mit dem elektronischen Schlüssel Richtung Auto und war verschwunden.

Jörg hörte das sachte Klicken, mit dem sämtliche Zentralverriegelungen sanft in ihre Verankerungen schnappten. Er saß noch drin – in diesem Wunderwerk der Technik und der menschlichen Selbstbefreiung von der Freiheit, denn er hatte in aller Ruhe seine Sachen gepackt.

Zuversichtlich begann er seinen Versuch, die Verriegelung zu lösen. Doch bald erkannte er, dass dieser Versuch dem Bestreben eingelegter Sardinen in Dosen glich, von innen her ihr verschweißtes Blechverlies zu öffnen.

Da hatte er den Salat: Monika war im Haus, und das Handy auch, und sie hatte den Schlüssel, und ohne den Schlüssel ging nix. Keine Tür, kein Fensterheber, keine Kofferraumklappe, keine Hupe. Jörg war drin. Und er blieb drin in der Karre, die wiederum in der schalltechnisch erstklassig gedämmten Garage stand.

Monika machte sich im Haus zu schaffen, tat dies und tat das und kam nicht darauf, dass irgendwer fehlte. Denn gleich hinter der Garage liegt der Werkraum, in dem Jörg zu werkeln liebt und sich dann stundenlang nicht blicken lässt.

Stundenlang… Jörg in der Dose, pardon: im technischen Wunderwerk, begann sich Szenarien auszumalen, immer schrecklichere Szenarien, je weiter die Uhrzeiger vorankrochen und die Stunden sich rundeten. Erst eine, dann zwei und noch immer keine Monika in Sicht.

Jörg klemmte sich auf den Sitz und richtete seinen Blick verzweifelt auf die Verbindungstür zum Haus, um für den immer unwahrscheinlicher werdenden Fall, dass Monika vor dem Zubettgehen doch noch auf die Suche nach ihrem Mann gehen und einen Blick in die Garage werfen würde, von innen gegen das Seitenfenster zu springen und lauthals zu rufen.

Seine größte Sorge: Monika schaut kurz in die Garage, sieht das knallrote Auto stehen – nicht aber den eingeschweißten Gatten darin – und entfleucht ohne Rettungstat.

Und Monika? Sie erwies sich, frei nach Kishon, als die beste Ehefrau von allen. Sie kam zur Gute-Nacht-Zeit, um nach Jörg zu sehen, betrat die Garage, gewahrte im besten Auto von allen ihren Gatten, der wie ein eingesperrter Tiger hinter der Scheibe die Zähne fletschte, ahnte, dass sie die Urheberin dieser Freiheitsberaubung war, holte flott den Schlüssel und öffnete den Sesam.

Mit schwerstmöglich erkämpfter Selbstbeherrschung unterdrückte sie – ihren Tiger im Tank vor Augen – einen Lachkrampf.

Am Weihetag von Johannes durfte sie ihre Lungenflügel beben lassen. Jörg selbst gab die Geschichte mit herrlichem Witz zum Besten. Etwas später fuhren die beiden im knallroten Auto zurück ins Emsland. Monika saß am Steuer. Sie hatte den Schlüssel.

Herzlich eure
Turmflüsterin