2018-07-31 | Ein etwas anderes Turmgeflüster

Mit dem 31. Juli ist der Konvent unserer Schwestern Geschichte. Es bleiben längst versehene, vielfältigste Schwestern-Dienste, die bei Menschen in unseren Gemeinden anhaltende Wirkung zeitigen…

… und somit weiterhin Gutes verrichten. Es bleiben liebe Worte und Trost, den sie gespendet haben. Es bleibt auch ein Gefühl für den Wert von Treue, Bescheidenheit und von Gehorsam (der bitter schmecken kann).

Und es bleiben ungezählte Erinnerungen an Begegnungen, Gespräche, Augenblicke, Umarmungen und Messfeiern. Die Schwestern waren – gefühlt immer – dabei, saßen vorn links in der zweiten Kirchenbank und beteten und sprachen das Vaterunser unaufdringlich etwas lauter, wenn sie spürten, dass die Familie eines Täuflings in der Liturgie nicht sattelfest war.

Unvergesslich sind die Gottesdienste in der Kapelle des Schwesternhauses. In der Bescheidenheit dieses Raums kamen immer wieder auch Menschen zusammen, die sich einen „großen“ Gottesdienst nicht zumuten mochten, z.B. weil sie krank oder verletzt waren. Hier fanden sie, ganz nah am Geschehen, Trost in der Eucharistie, dargereicht oft unter beiderlei Gestalt.

Schwester Magdalena: Oberin des Auricher Konvents bis zum 31. Juli 2018.

Die Schwestern trugen die Anliegen unserer Gemeinden und der Welt mit, teils mit Worten und teils auf ihren eigenen Schultern.

Sie begleiteten betend mit und ohne „Lichtlein“ Männer und Frauen unserer Gemeinden auf ihren mitunter abenteuerlichen Fahrten nach Polen und vor allem nach Litauen. Wie oft ging am Ende alles gut, selbst wenn Reifen platzten und die Besatzungen mit dem Schrecken davonkamen, oder wenn bei einer Panne mitten in einsamster „Pampa“ plötzlich helfende Hände, Diesel und zündende Ideen verfügbar waren.

Dann wussten sich die Männer und Frauen oft vom Gebet daheim getragen.

Bilder der Sonntage und der Alltage

Wir verdanken den Dreien Bilder der Sonntage und der Alltage: Haften bleibt das liebe Bild von Oberin Schwester M. Magdalena mit ihren rheumatischen Händen und Füßen, die uns schon beim Anschauen mitschmerzten und die dennoch in verschiedensten Anliegen klag- und rastlos waren.

Ihre Augen schauten und schauen immer gütig.

Es bleibt das Bild von Sakristanin Schwester M. Claudia, die sonntags schnellen Schritts die Kirche durchmaß und schaute, ob alle ausgelegten Fürbitt-Zettel einen Abnehmer gefunden hatten.

Der Glanz der vielen „Lichtlein“, die sie entzündet hat und in der Ferne entzünden wird, haftet anhaltend als eine Art claudianischer Hoffnungs-Schimmer über’m Kerzenstand unter der Pieta.

Schwester Claudia in der St.-Ludgerus-Kirche, in der sie Sakristanin war.

Und es bleibt das Bild von Köchin und Hauswirtschafterin Schwester M. Franziska, die mit weiß-gestärkter Küchenschürze in der Schwesternhaus-Tür stand und mit Sonnenlächeln erzählte, wie man Kohlrouladen wickelt. Ein Teil des Rezepts konnten wir mitunter von der Schürze ablesen.

Hunderte von Söckchen wechselten von ihren bestrickenden Händen an die Füße unserer Täuflinge. Ungezählte Tassen Suppe und Kaffee schenkte sie an der Pforte Bedürftigen ein.

An solch einer Rose konnte Schwester Franziska, die für Haus, Hof und Garten zuständig war, nicht vorbeigehen.

Wir erlebten einander und nahmen Anteil, wie man am Leben der eigenen Familie Anteil nimmt, und standen füreinander ein, wie es Verwandte und Freunde tun. Zugleich blieb eine gute Art von Distanz und Eigenständigkeit. Nie war der Konvent eingemeindet.

Eine solche Art von Familie und Bindung ist für Ordensfrauen nicht vorgesehen. Da wachsen außerhalb der Klöster und Konvente keine Beziehungen. So war das Ende in Aurich für die Ordensprovinz wohl nicht die große Sache wie für die betroffenen Schwestern und uns als betroffene Gemeinden. Konnte sie sich vorstellen, was sie so abrupt beendete, ohne sich wenigstens ein einziges Mal gedanklich für Alternativen zu öffnen?

Fürsorgliche Hilfe für die drei älter werdenden Schwestern, die bleiben wollten, hätte sich organisieren lassen.

Das „Nein“ der Ordensleitung war unerbittlich.

Sie nahm mit dem kleinen Konvent ein Geschenk zurück, das die Ordensleitung den Menschen in Aurich und Umgebung vor 72 Jahren zugereicht hatte – ein Geschenk, das seither mit unseren drei Schwestern und ihren vielen Vorgängerinnen 72 Mal Frucht getragen hat, mindestens.

Solche zauberhaften Momente schenkten uns die Ordensfrauen: Nordseewasserballett mit Schwester Franziska (l.) und Gast-Schwester Adelinde.

Wir durften mit vielen, vielen Menschen die Ernte einfahren. Wir waren dabei auf einer besonderen Straße unterwegs. Unsere „Grauen Schwestern“ waren ein gutes Stück Weg dieser Straße, ein großes Weg-Stück grauer Asphalt.

Viele Wagen waren darauf unterwegs – große und kleine Autos mit hauptamtlichen und ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern, orangefarbene Bullis, wendige Mopeds, Fahrräder und natürlich jede Menge Passanten. Alle bewegten sich wie selbstverständlich auf dem grauen Asphalt; kaum einer dachte im Alltag groß über die Straße nach, die er wie selbstverständlich nutzte.

Sie hielt sich hin, blieb unauffällig und dienstbar; sie beschwerte sich nicht über Last und Abrieb und versah über viele Jahre und Jahrzehnte klaglos ihren Dienst.

Das Gewicht, das sie zu tragen hatte, wurde selten hinterfragt. Wer ahnte schon, was an emotionalem und seelischem Ballast in den einzelnen Fahrzeugen mitreiste und von der Straße mitgetragen wurde?

Und manchmal wurden die Schwestern mitgetragen – auch und gerade von der Jugend. Sie brachte Schwester Claudia das Fliegen bei.

Das Gespräch und das Gebet mit und für Menschen blieb ein wichtiger Bestandteil der „Arbeit“ der Elisabeth-Schwestern. Ihre Dienste hatten dieselbe Ausrichtung: Gott selbst, dessen Liebe durch die Hände der Menschen läuft. Kleine persönliche Schwächen waren unseren Schwestern selbstredend zugestanden.

Ihnen ging es im Wesentlichen um den liebevollen Blick auch auf menschliche Schwächen anderer, um Wahrnehmen und Begleiten, Trost und Gebet. In ihrer Nähe war die Zuversicht spürbar, dass bei Gott niemand allein ist.

Mit ruhiger Freude nahm Schwester Magdalena an schönen Ereignissen Teil.

Magdalena, Claudia, Franziska: Ihr ward und ihr seid ein bisschen wie eine graue Straße und ein bisschen wie der helle Himmel darüber.

Nun sagen wir adieu. Der Gruß geht auf das lateinische „ad deum“ zurück: zu Gott hin!

Das wünschen wir euch Schwestern auf allen weiteren Wegen.

Herzlich eure
Turmflüsterin
Delia