2018-09-04 | Von einem Ungeheuer auf Langeoog
In einem Kirchencafé nach der Sonntagsmesse lässt sich was erleben, auch am jüngsten Wochenende in St. Nikolaus Langeoog. Nach dem Schlusssegen strömten Insel-Gäste aus halb Deutschland zusammen.
Im Gemeindehaus machten sie sich mit einander bekannt und plauderten.
Andreas aus Wiesbaden hatte sich im Gottesdienst spontan als Kommunionhelfer zur Verfügung gestellt. In seiner Heimatpfarrei St. Bonifatius gibt er ebenfalls den Leib des Herrn aus. Auf Langeoog erzählte er: „Ich bin immer aufs Neue fasziniert von den unterschiedlichen Händen, in die ich die Kommunion lege.“
Dann berichtete er von seinem Urlaub auf Langeoog und einem Drachen, den seine Nichte Laura und er gebaut hätten. Der Drachen liege am Strand. Die Turmflüsterin war beeindruckt. „Ein Papierdrachen oder – so einer?“ Sie fauchte, als würde sie eine ausgewachsene Feuersbrunst entfachen.
„So einer!“ sagte Andreas. Kaum hatte er die Worte gesprochen, mischte sich ein Mathe-Student aus Regensburg ein. „Der Drachen ist toll. Den hab ich am Strand gesehen und fotografiert.“ Er zückte sein Handy und zeigte das Fabelwesen. Ein Riesending, 20 Meter lang mit breiten Schwingen sowie einem scharf geschnittenen Kopf samt Maul und Hauern. Aus Sand!
Schon begann Drachensandbäcker Andreas, von Hause aus Architekt, zu erzählen: von runden Sandkörnern („die halten nicht“) und kantigen, ostfriesischen Strand-Sandkörnern aus ein-Meter-fuffzig Tiefe („die sind richtig“).
Er mag Sand und hatte die wichtigsten Buddel-Utensilien im Urlaubsgepäck von daheim mitgebracht: Schaufel, Teigschieber zum Glätten und Gießkanne.
Gießkanne? Andreas klärte sein Publikum auf. Der beste Sand nützt wenig, wenn der Küstenwind ihn zu Flugsand erhebt und der Drache vor seiner Vollendung körnchenweise den Abflug probt. Ein begossener Drache hingegen verharrt am Platz.
Andreas, der in Anbetracht seines Werks vorübergehend gern Michael geheißen hätte, buddelte also in die Tiefe und förderte schlickigen Sand zu Tage. Daraus bauten er und Laura das Kunstwerk.
Natürlich musste die Tumflüsterin sich das Ungeheuer vor Ort ansehen. Am Nachmittag ging es an den Strand bei Gerk sin Spoor. Hier lag der Drache weiträumig in der Gegend herum und fixierte mit Natternaugen das Wattenmeer.
Brav fragte die Turmflüsterin gemäß europäischer Datenschutzgrundverordnung die Drachen-Eltern Andreas und Laura, ob sie ihr „Kind“ fotografieren dürfe. Andreas, der tagelang eine Gießkanne Salzwasser nach der anderen aus der Nordsee herangeschleppt hatte, verlangte: „Gegen zehn Gießkannen Wasser.“
Der erschrockene Blick der Turmflüsterin stimmte ihn milde, und sie durfte ihre Kamera zücken.
Einen herzlichen Gruß an Andreas, Laura und ihre Familie, die an diesem Mittwoch ihren Inselurlaub beenden, sendet die
Turmflüsterin von Neuauwiewitt