2019-06-07 | Melanie und das religiöse Urvertrauen
Vielleicht war ich vier oder fünf, als meine ältere Schwester mich in ein riesiges Haus schleppte. Ich hatte es nie zuvor betreten. „Da wohnt Gott“, sagte meine Schwester.
Es war kalt und dunkel, roch modrig und machte mir mächtig Angst. Gott kannte ich nicht. Was würde er sagen, wenn er uns in seinem Haus erwischte?
Mädchen und Jungen aus dem Haus für Kinder und Familien haben die beiden Religionspädagoginnen Tina Hardy und Melanie Wiegmann bei der Hand, wenn sie Gott noch nicht kennen. Melanie ist seit neuestem zudem die Spezialistin in St. Ludgerus für Religionspädagogik im U3-Bereich.
Religionspädagogik für Krippenkinder, die noch keine drei Jahre alt sind? Geht das überhaupt? Seit Freitag, 8. Juni 2019, hat Melanie eine Urkunde in Händen, die genau das bestätigt. Sie ist jetzt, nach einer berufsbegleitenden Weiterqualifizierung, pädagogische Fachkraft aus dem Elementarbereich für Kleinstkindpädagogik und hat sich besonders mit der Religionspädagogik befasst.
Melanie schildert mit Händen, bildreichen Sätzen und leuchtenden Augen, wie sie die Mini-Kids mit ihren Geschichten zum Beispiel rund um die Arche Noah in den Bann zieht.
Da „marschiert“ vor den Augen der Kleinen die ganze Welt der Tiere und der Menschen an einen sicheren Ort. Dort haben alle Wesen ihren Platz, die kleinen und die großen, die hässlichen und die schönen, die arroganten und die zaghaften.
Egal, wo sie herkommen und was sie vorher gemacht haben: Sie sind gemeinsam geborgen, versorgt und dürfen auf eine gute Zukunft hoffen.
Melanie ist sicher: Kinder brauchen dieses Urvertrauen, dass sie angenommen sind, wie sie geschaffen wurden. „Nur so können wir sie zu lebensbejahenden und authentischen Menschen erziehen.“
Melanie musste, um sich als Fachkraft für Kleinstkindpädagogik zu qualifizieren, eine Facharbeit schreiben. Ihr Thema fand sie schnell. Schon früher war ihr aufgefallen, dass religiöse Erziehung in Kitas, wenn überhaupt, mitunter mehr „im Hintergrund“ vermittelt wird. Dabei gehört sie zum Bildungsauftrag aller Kindertageseinrichtungen, egal in welcher Trägerschaft.
Melanie kannte eine christlich getaufte Praktikantin einer anderen Kita. Die erklärte ihren Kindern, Weihnachten sei, wenn der Weihnachtsmann komme und Geschenke bringe. Dabei, so meint Melanie, müssen Fachkräfte gerade auch religiöses Wissen kind- und zugleich fachgerecht vermitteln und sich in allen Lebens- und Lernbereichen von Kindern auskennen.
Ihre Erfahrung: Wenn Kinder die Welt entdecken, können sie Gott entdecken. Sie lernen, sich selbst und ihren eigenen Fähigkeiten zu trauen; sie können wie in der Arche Noah Gemeinschaft bilden und Freundschaften eingehen, weil sie die Zuversicht haben, dass das Leben grundsätzlich „gut“ ist.
Der Vorsitzende des Kita-Beirats und Träger-Vertreter Horst Stamm würdigte das Engagement von Melanie und dankte ihr herzlich mit Rede, Umarmung und Blumenstrauß. Es sei mehr als beachtenswert, dass Melanie in ihrer Freizeit von April 2018 bis Mai 2019 unbezahlt immer freitagnachmittags und samstags 170 Unterrichtsstunden absolviert habe, um sich zur Fachkraft für Kleinstkindpädagogik zu qualifizieren. Zudem habe sie die tolle Eingebung gehabt, die geforderte Facharbeit der Religionspädagogik für Kleinstkinder zu widmen. „Das waren zwei Fliegen mit einer Klappe. Schon den Jüngsten können Werte fürs Leben vermittelt werden, ohne sie auf eine Glaubensrichtung festzulegen.“ In St. Ludgerus wird glaubensoffen erzogen. Finanziert wurde die Maßnahme über den Haushalt der Kita.
Horst bedankte sich beim ganzen Team, das sich gegenseitig durch die zeitlich immer engen Räume trage und nicht als erstes nach der Uhr, sondern nach dem Wohl der Kinder schaue. Dieses Wohl sei ihnen Ansporn, sich in ihrer Freizeit engagiert und nach vorn blickend immer mehr zu qualifizieren. Der Weiterbildungsstand sei im Vergleich zu anderen Häusern außerordentlich hoch. Darüber freute sich auch Tina Hardy als Leiterin des Hauses für Kinder und Familien.
Melanie dankte herzlich dafür, dass die Verantwortlichen in St. Ludgerus, namentlich Tina und Horst, alle Weiterqualifizierung bewusst und gezielt förderten. „So arbeite ich gern“, sagte die Powerfrau, die, wie das ganze Team an bestmöglichen Voraussetzungen für ihre Kinder arbeitet und sich dafür neuen Herausforderungen stellt. Horst sagte augenzwinkernd: „Mach das gern, aber bitte auf längere Sicht für unsere Einrichtung!“
Das wünscht sich unbedingt auch
eure Turmflüsterin