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2019-11-09 | Wildfremde Menschen lagen sich im Arm

[1]Seit Wochen laufen in allen Medien Serien über den Mauerfall am 9. November 1989 und seine Geschichte. Heute ist der Jubiläumstag. Vor genau 30 Jahren stand ich an der Berliner Mauer…

… mitten in dem überwältigenden Geschehen, die Hand an den Steinen, wildfremde Menschen in den Armen und von irgendwoher ein Glas Sekt in der Hand. Stunden später sanken neben mir reihenweise Menschen im Trabi-Zweitaktergestank in Ohnmacht und liebten ihn dennoch: den „Duft des Mauerfalls“.

Der Link unten berichtet kurz von der politischen Lage damals und von meinen Erinnerungen an diesen „Wahnsinnstag“. Ich werde ihn nicht vergessen. Er hat mir beigebracht, was Mauern anrichten, die ganz handfesten Mauern und die in menschlichen Betonköpfen – und wie befreiend ihr Fall ist.

Wie oft verbarrikadieren sich Menschen hinter Mauern, die sie selbst hochgezogen haben, um selbstgewiss in deren Schatten die eigene, beengte Sicht der Dinge zu pflegen. Eines ist dann meist auf der Strecke geblieben: die Vielfalt anderer Meinungen, die jeder Mensch und jedes Gemeinwesen braucht, um sich zu orientieren – in Familie, Gesellschaft, Politik und Kirche. In dieser Vielfalt korrigiert sich das, was nicht in Ordnung ist, meist von allein.

Denn Wissen um die Dinge entsteht plural, nicht einseitig. Kurz nach dem Mauerfall war ich in Brandenburg journalistisch engagiert. Einmal nahm ich in meinem Wagen Politiker und Politikerinnen aus Fürstenwalde mit nach Hause an den Niederrhein. Eine der Frauen weinte, als wir schnuckelige Dörfchen passierten. Sie hatte seit Stunden geschwiegen. Dann brach es aus ihr heraus: „Diese verdammte Mauer! Wir konnten nicht drüberwegschauen. Man hat uns weisgemacht, dass die Dörfer im Westen eine Ruinenlandschaft sind, während wir die modernen Plattenbauten hätten.“

Sie konnte nicht fassen, was sie sah, als die Berliner Mauer überwunden war. Vielleicht würde es manchem Zeitgenossen ähnlich gehen: dass er fassungslos staunt, wie vielfältig und gut die Welt ist, wenn er über seine eigenen Mauern hinwegschaut,

meint herzlich eure
Turmflüsterin

Und hier die Schilderung der Ereignisse [2].