300 Jahre Kirche St. Joseph im Jahr 2015
Die katholische Kirche St. Joseph in Neustadtgödens hatte am 21. Juli 2015 ihren 300. Geburtstag und feierte ihn mit einer vorgelagerten Festwoche. So stand das Gotteshaus auch im Mittelpunkt der Pfarreiengemeinschaft, die am Sonntag, 19. Juli, vor Ort ihr großes Jahresfest beging. Und sie rückte etwas mehr in den Mittepunkt des Bistums, da Bischof Dr. Franz-Josef Bode beim Festgottesdienst zu Gast war.
Einen geschichtlichen Abriss zum Jubiläum verfasste Hiltrud Hillers (Foto).
Die Geschichte von St. Joseph
Teil 1:
Auf einer Fahrt durch Ostfriesland ist man beeindruckt von den vielen Kirchen, die auf mächtigen Steinquadern errichtet wurden – neben ihnen der Glockenturm. Die meisten sind älter als 800 Jahre.
Was bedeuten dann schon 300 Jahre katholische Kirche St. Joseph?
Ihr Bau 1715 sollte bahnbrechend in Ostfriesland werden.
Aber gehen wir zunächst mehr als 700 Jahre in der Zeit zurück. Bonifatius und seine Gefährten hatten den Friesen den katholischen Glauben gebracht, der sich schnell ausbreitete. Überall entstanden große Klöster und Kirchen und zeugten von der Frömmigkeit der Menschen.
Als später dann reformatorisches Gedankengut Ostfriesland erreichte, schloss man sich der neuen Religion an. Die Klöster wurden geschlossen, geplündert und dem Erdboden gleichgemacht. Nur die Kirchen blieben als Verkündigungsorte des neuen Glaubens erhalten.
Alles Katholische wurde ausgemerzt. Wer nicht konvertierte, wurde verjagt. Nun bestimmten die Adligen die Religionszugehörigkeit.
In den Herrlichkeiten (Land- und Einflussbereich des niedrigen Adels) wurde man evangelisch-reformiert und legte sich per Vertrag fest, nichts Katholisches zu dulden. So auch in der Herrlichkeit Gödens.
Naturgewalt und Reformation veränderten die religiöse Struktur in Gödens.
Schwere Sturmfluten hatten das Meer tief ins Landerinnere dringen lassen. Das Schwarze Brack, ein breiter Meerbusen, war entstanden und hatte auch in der Herrlichkeit Gödens weite Landstriche weggerissen. So entschloss sich die Regentin Hebrich von Gödens zur Neulandgewinnung.
Es mussten Deiche und Siele neu erbaut werden, Menschen zur schweren Arbeit herangezogen und Fachleute eingesetzt werden.
Da kam es gerade recht, dass der Kaiser glaubensabtrünnige Mennoniten (Zuläufer des Menno Simons, ehemaliger katholischer Priester) für vogelfrei erklärte und Jagd auf sie machen ließ. Es waren vor allem Holländer, die sich auf die Flucht begaben und in der entferntesten Herrlichkeit Ostfriesland, nämlich in Gödens, Unterschlupf suchten.
Dort erhielten sie Schutzbriefe des Junkers, durften arbeiten und später Häuser bauen. Sie siedelten zwischen zwei Sielen (= Durchlässe durch den Deich) und brachten es durch harte Arbeit und Genügsamkeit zu Wohlstand. Hier durften sie unbehelligt von der Obrigkeit ihren Glauben leben.
Schon bald zogen Andersgläubige wie Reformierte, Lutheraner und Juden nach. Sie alle standen unter besonderem Schutz des Hauses Gödens. Ihre Religion durften sie ausüben, allerdings nicht in Kirchen, sondern nur in geschlossenen Räumen.
Alle kirchlichen Handlungen wie Trauungen, Taufen und Beerdigungen mussten weiter in der evangelisch- reformierten Kirche in Dykhausen stattfinden. Somit war auch nach außen der gesetzlichen Vereinbarung, nach dem reformierten Glauben zu leben, Genüge getan.
1639 veränderte sich die religiöse Situation dramatisch. Frantz Iko von Gödens heiratete die streng katholische Gräfin Margarete Elisabeth von Westerholt, die aus dem Emsländischen stammte.
Ihr erlaubte er das Einrichten einer Hauskapelle auf Schloss Gödens und die Einstellung zweier Hauskapläne, die dem Jesuitenorden angehörten. Der eine war für die Seelsorge der gräflichen Familie zuständig, der zweite ebenso, aber zusätzlich sollte er missionieren.
Margaretha Elisabeth von Frydag. Sie war streng katholisch. Ehe sie heiratete, konvertierte ihr Bräutigam, Baron Franz Iko von Frydag, zum katholischen Glauben.
Die neue Keimzelle katholischen Glaubens in Ostfriesland war geboren.
Es sollte aber noch viele Jahre dauern, bis eine katholische Gemeinde entstand. Immer war sie sehr klein, zwischen 50 und 60 Gläubigen bei einer Einwohnerzahl von etwa 700 Menschen. Und noch länger dauerte es, bis das gräfliche Haus erließ, dass die Religionsgemeinschaften in Neustadtgödens ihre eigene Kirche erbauen durften.
Teil 2:
Im ersten Teil der Serie haben wir gelesen, dass schwere Sturmfluten viel Land geraubt hatten, darunter in der Herrlichkeit Gödens weite Landstrichedas. Sie sollten zurückgewonnen werden. Regentin Hebrich von Gödens brauchte Menschen, die Deiche und Siele bauen konnten. Gewonnen wurden für die schwere Arbeit Mennoniten, die der Kaiser für vogelfrei erklärt hatte und die nun in in Gödens Unterschlupf suchten.
Dort erhielten sie Schutzbriefe des Junkers, durften arbeiten und später Häuser bauen. Sie siedelten zwischen zwei Sielen (= Durchlässe durch den Deich) und brachten es durch harte Arbeit und Genügsamkeit zu Wohlstand. Hier durften sie unbehelligt von der Obrigkeit ihren Glauben leben.
Schon bald zogen Andersgläubige wie Reformierte, Lutheraner und Juden nach. Sie alle standen unter besonderem Schutz des Hauses Gödens. Ihre Religion durften sie ausüben, allerdings nicht in Kirchen, sondern nur in geschlossenen Räumen.
Alle kirchlichen Handlungen wie Trauungen, Taufen und Beerdigungen mussten weiter in der evangelisch- reformierten Kirche in Dykhausen stattfinden. Somit war auch nach außen der gesetzlichen Vereinbarung, nach dem reformierten Glauben zu leben, Genüge getan.
1639 veränderte sich die religiöse Situation dramatisch. Frantz Iko von Gödens heiratete die streng katholische Gräfin Margarete Elisabeth von Westerholt, die aus dem Emsländischen stammte.
Ihr erlaubte er das Einrichten einer Hauskapelle auf Schloss Gödens und die Einstellung zweier Hauskapläne, die dem Jesuitenorden angehörten. Der eine war für die Seelsorge der gräflichen Familie zuständig, der zweite ebenso, aber zusätzlich sollte er missionieren.
Die neue Keimzelle katholischen Glaubens in Ostfriesland war geboren.
Es sollte aber noch viele Jahre dauern, bis eine katholische Gemeinde entstand. Immer war sie sehr klein, zwischen 50 und 60 Gläubigen bei einer Einwohnerzahl von etwa 700 Menschen. Und noch länger dauerte es, bis das gräfliche Haus erließ, dass die Religionsgemeinschaften in Neustadtgödens ihre eigene Kirche erbauen durften.
Teil 3:
In den beiden ersten Teilen unserer Serie haben wir aufgezeigt, wie in der Herrlichkeit Gödens die Grundlagen für ein tolerantes religiöses Miteinander entstanden.
Durch Margaretha Elisabeth von Frydag war Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem Bau einer katholischen Hauskapelle auf Schloss Gödens ein Meilenstein gesetzt worden: Die erste katholische Missionsstation und Seelsorgestelle in Ostfriesland entstand.
Alle ihre fünf Söhne wurden auf einer niederländischen Jesuitenschule ausgebildet und ergriffen geistliche Berufe. Einer von ihnen schaffte es Ende des 17. Jahrhunderts, für Gödens das Verbot außer Kraft zu setzen, religionseigene Kirchen zu bauen.
Als erste errichteten nun die Lutheraner 1695 in Neustadtgödens ihr Gotteshaus.
Pater Hesse wurde beauftragt, Almosen für den Bau einer katholischen Kirche zu sammeln. Das war äußerst beschwerlich in der Diaspora. Aber endlich, 1715, konnte er einen schlichten Kirchbau auf einem geschenkten Grundstück erbauen lassen und feierlich am 21. Juli 1715 mit Vertretern aller am Ort ansässigen Religionsgemeinschaften das neue Gotteshaus einweihen.
Es war und ist ein schlichter Bau, eher an einen Stall oder eine Scheune erinnernd. Kein barocker Schmuck ist (mehr) im Innenraum vorhanden. Das Auge der Gläubigen richtet sich auf Altar und Tabernakel.
Fast zeitgleich bauten damals die Reformierten ihre Kirche. Die Mennoniten folgten 1741, und die Juden errichteten 1852 ihre Synagoge.
Jetzt gab es fünf Gotteshäuser auf engstem Raum, deren Gläubige friedlich und tolerant miteinander leben konnten.
Die katholische Gemeinde St. Joseph blieb die kleinste am Siedlungsort, hatte aber immer einen Priester, der sie in ihrem Glauben bestärkte und sie auf dem Weg durch die Zeit begleitete.
Die Stiftungsurkunde regelt die Übertragung des Grundstücks, auf dem Kirche, Friedhof und Pfarrhaus sich bis heute befinden. In einer etwas komplizierten Aktion verkaufte Graf Burchard Philip von Frydag der Witwe seines Rentmeisters Brenneysen, Joanna Sophia Brenneysen, für 480 Reichsthaler ein rund 5100 Quadratmeter großes Grundstück. Die Witwe wiederum stellte das Grundstück 1714 „auf ewig“ der katholischen Kirche zur Verfügung.
Joanna Sophia Brenneysen wurde später, vermutlich 1718, also nur drei Jahre nach dem Kirchbau, auf dem Friedhof beerdigt, dessen Grund sie der Kirche überlassen hatte. Beigesetzt ist sie in einem eindrucksvollen Hochgrab.
Hochgrab von Joanna Sophia Brenneysen auf dem Friedhof vor der Rückseite der St.-Joseph-Kirche. Rechts neben dem Grab sind drei Grabstelen erhalten, darunter die von Maurermeister Lorenz Rauscher, der um 1750 Uhr in Neustadtgödens zahlreiche Häuser gebaut hat. An der Errichtung der Kirche war er sicher nicht beteiligt. Sein Geburtsdatum wird mit 1709 angegeben.
Teil 4:
In den ersten drei Teilen unserer Serie haben wir aufgezeigt, wie in der Herrlichkeit Gödens die Grundlagen für ein tolerantes religiöses Miteinander entstanden und 1715 die katholische Kirche St. Joseph gebaut und geweiht werden konnte.
Alle fünf Söhne von Margaretha Elisabeth von Frydag (siehe Teil III) waren hochrangige Geistliche geworden, darunter Carl-Philip, Jesuitenpater und Großprior des Malteserordens, der Ende des 17. Jahrhunderts für Gödens erreichte, dass das Verbot, religionseigene Kirchen zu bauen, aufgehoben wurde.
Nacheinander errichteten nun die Lutheraner (Erlaubnis 1695), die Reformierten (1715), die Katholiken (1715), die Mennoniten (1741) und die Juden (1852) ihre Gotteshäuser.
Die Heilige Familie mit einem starken Joseph: Holzplastik des Zeteler Künstlers Wilhelm Westhoff im Foyer der Kirche.
Immer wieder setzten sich die Katholiken für Arme und Kranke ein und erstritten auch schon mal gerichtlich das Sorgerecht einer alleinerziehenden Mutter für ihr uneheliches Kind.
Bis in die 1930er-Jahre pflegten die Menschen unterschiedlicher Konfessionen ein gedeihliches Miteinander. Noch 1850 warjeder vierte Einwohner jüdischen Glaubens gewesen. 1940/41 wurden die letzten acht Juden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Nur einer überlebte und kehrte zurück.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich die Lebenssituation vor Ort dramatisch. Flüchtlinge aus Schlesien und anderen Teilen Ostdeutschlands mussten untergebracht und versorgt werden. Sie hatten ihr Hab und Gut verloren und besaßen oft nur das, was sie am Leibe trugen. Hinzu kamen die Sorge um Angehörige, die nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren, und die Ungewissheit, wie es wohl werden würde in der Fremde. Da war nicht nur der Hunger, sondern auch die seelische Not unübersehbar.
Was für eine Mammutaufgabe hatte der Pfarrer von St. Joseph zu bewältigen. Er feierte mit ihnen die Heilige Messe, in der die Lieder der Heimat und die altbekannten Gebete gesungen und auch gesprochen wurden. Er sorgte auf Betteltouren durch das Emsland für Lebensmittel, die verteilt werden konnten, und leistete, wo immer nötig, den Familien geistlichen Beistand. So wurde St. Joseph Heimat, in der man Menschen traf, die das gleiche Schicksal erlitten hatten, mit denen man sich in der vertrauten Sprache austauschen konnte. So blicken noch heute die Menschen, die das erlebt haben, in großer Dankbarkeit und Liebe zurück.
Längst haben Gödens und Neustadtgödens, einst mit Handelshafen samt Meerzugang und starkem Leinweberhandwerk ihre Wirtschaftskraft verloren. Wieder eingekehrt ist das gute ökumenische Miteinander. Immer mal wieder stehen in der Kirchbank von St. Joseph auch Christen anderer Konfessionen und kommunizieren Seite an Seite mit den Katholiken.
Über dem Pfarrbüro wohnt eine Vikarin; und evangelische Sternsinger sammeln für das katholische Kindermissionswerk (beides Stand 2015).
Seit 2005 bildet St. Joseph mit St. Ludgerus Aurich und „Maria – Hilfe der Christen“ Wiesmoor eine Pfarreiengemeinschaft. 2007 kam St. Bonifatius Wittmund hinzu. Johannes Ehrenbrink ist der leitende Pfarrer, Carl B. Hack der Pastor.
Altes barock anmutendes Altarbild, das einst an der Stirnseite der Kirche hing, zwischendurch in Osnabrück „landete“ und jetzt einen Platz in der Sakristei hat.
Die jubilierende Gemeinde in Neustadtgödens schätzt die familiäre Atmosphäre in St. Joseph. Hier werden Kinder getauft, gehen zur Ersten Heiligen Kommunion, spenden sich als Erwachsene das Sakrament der Ehe, lassen wiederum ihre Kinder taufen, setzen ihre Toten bei, feiern und feierten ihre Feste. Oft reisen sie weit dafür an: In St. Joseph kommen die Familien wieder zusammen. Der innere Kompass zieht sie hierher.
„Hier haben sie ihre Wurzeln“, sagt Kirchenvorstandsmitglied R. Kremers, denkt dabei auch an die lange 300-jährige Geschichte, schaut auf die beiden durchgetretenen Stufen am Ende der Treppe ins Obergeschoss der Kirche und sinniert: „Wer mag hier im Lauf der Zeit heraufgestiegen sein?“ Er kennt die Namen der Geistlichen, ihre Mühe, ihre Verdienste, die ganze Geschichte.
Längst leerer Raum im Obergeschoss der Kirche – 1717 Zufluchtsort für die Menschen in der wasserumstosten Kirche und nach dem Zweiten Weltkrieg dicht belegter „Wohnort“ für gestrandete Vertriebene aus Schlesien.
Vielleicht mehr als andere Dokumentationen schildert das Gästebuch, was jenseits von Zahlen und Daten zählt: In St. Joseph fühlen Menschen sich Gott nah, samstags um 16 Uhr im Gottesdienst ebenso wie in kleinen Visiten zwischendurch. St. Joseph ist ein Stück Zuhause.
Oder wie es in einem alten Kirchenlied heißt:
Herr wir loben dich,
Herr wir preisen dich,
o lass im Hause dein
uns all geborgen sein.
St. Joseph mit dem davorstehenden Glockenturm und Besuchern einer samstäglichen Vorabendmesse.
Quellen:
1) Neustadtgödens; Lebensbeschreibungen, Ereignisse und Bilder aus 450 Jahren, Hrsg.: Heimatverein Gödens-Sande.
2) Lothar Görlich, Die katholische Kirchengemeinde Neustadtgödens, Berichte und Dokumente aus 400 Jahren, Hrsg.: Pfarrgemeinde St. Joseph, Paterei 4, 26452 Neustadtgödens (kann bei der angegebenen Adresse erworben werden).
Teil 5 – Die Feier am 19. Juli 2015:
Diözesanbischof Dr. Franz-Josef Bode griff in die Schmuckschatulle seines Wortschatzes. „St. Joseph“ sei eine Perle, ein Juwel, ein Kleinod unter den Kirchen im Bistum, und es sei eine Oase. Zu dieser Oase hatte sich Sonntag eine Karawane an Gläubigen aufgemacht, so lang, wie Neustadtgödens seit Jahrzehnten keine gesehen hat.
Eine Oase lockt mit reichlich Wasser, und das sprudelte passend zum 300. Kirchweihfest nicht aus irdischer Quelle, sondern aus himmlischer Höhe.
Doch als Tini Schouten im Turm am Glockenseil hing und kraftvoll die Festgemeinde herbeiläutete, machte jemand an den Wolken erschrocken die Schotten dicht, so dass der Bischof und seine Mitzelebranten sich trockenen Hauptes vor dem steinernen Geburtstagskind aufstellen und ablichten lassen konnten. Die Ministranten bahnten den Herren einen Weg durch die prall gefüllte Kirche zum Altarraum.
Bild mit Bischof, weiterer Geistlichkeit und Ministranten vor der Jubel-Kirche.
Eine erstklassig aufgelegte Schola begleitete sie mit ihren starken Stimmen und füllte die Kirche und das ebenfalls mit Gottesdienstbesuchern dicht besetzte und akustisch vernetzte Festzelt mit Vorfreude auf den Gottesdienst.
Bestens aufgelegt war die Schola.
Franz-Josef Bode sprach den vielen Menschen, die gekommen waren, um dem kleinen Gotteshaus zum 300. Kirchweihtag zu gratulieren, aus dem Herzen: „Es ist gut, dass es diesen Ort gibt.“ Er war dem Bischof so wichtig, dass er, um mitfeiern zu können, seinen Urlaub zwei Tage nach hinten verschoben hatte (und nach dem Fest befreundeten Miturlaubern in den Schwarzwald hinterherflitzte).
„Und du, St. Joseph, bist keineswegs die geringste…“, sagte der Bischof und zog damit eine biblische Parallele zu einem anderen Ort. Ein stärkeres Kompliment hätte Franz-Josef Bode kaum machen können. Denn so wie vor 2000 Jahren im unscheinbaren Bethlehem das größte Wunder Gottes in der Menschheitsgeschichte seinen Anfang nahm, so begann auch in Neustadtgödens Außerordentliches: Ein kleines Wunder war es mindestens, dass hier 1715 im guten Einvernehmen mit Menschen anderer Konfessionen und anderen Glaubens die erste katholische Kirche in Ost-Friesland nach der Reformation geweiht wurde und sich damit im Lauf der Zeit in die Reihe von insgesamt fünf unterschiedlichsten Gotteshäusern auf engstem Raum fügte.
Zelebrant und Mitzelebranten v.l. Pfarrer Manfred Schmitt, Dechant und Pfarrer Johannes Ehrenbrink, Bischof Dr. Franz-Josef Bode, Pastor Carl Borromäus Hack und Pfarrer Bernhard Söbke.
Der Bischof griff das Tagesevangelium nach Markus auf. Viele Menschen waren Jesus gefolgt. Er hatte Mitleid mit ihnen, „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Bode erinnerte an die Geistlichen, die sich vor 300 Jahren in die Diaspora hatten entsenden lassen, um Hirten zu sein – im guten ökumenischen Einvernehmen. Neustadtgödens belege, wie sehr Personen Geschichte machten.
Neustadtgödens sei eine „besondere Perle der Pfarreiengemeinschaft“, die im Namen Neuauwiewitt sogar als erste genannt werde. Dieser kleine Ort sei zu „einer Oase des Innehaltens und der Ruhe“ geworden. Niemals dürften solche Kleinode und dürfe „eine solche Perle in unserer kirchlichen Landschaft“ gefährdet werden.
Bode sprach von der „Verdunstung des Glaubens“, der einen neuen Kondensationspunkt brauche, an dem er sich verdichte und als lebendiges Wasser niederschlage. „Die gewohnte und ererbte Kirche“ müsse Neues bilden. „Eine Zelle des Innehaltens und des Atemschöpfens ist diese Kirche! … Wir brauchen Orte, die überschaubar sind und wo man die Nähe Gottes spüren kann.“
Der Bischof mahnte allerdings auch, an solchen Orten solle nicht in geschlossenen Zirkeln, sondern offen gearbeitet werden: offen bezogen auf alle, die helfen wollten, und ebenso offen bezogen auf alle, die Hilfe benötigten. Dabei sei die Eigenständigkeit der Gemeinden ebenso wichtig („damit es vor Ort lebendig bleibt“) wie das Eingebundensein in eine größere Gemeinschaft, um Kräfte zu bündeln und Aufgaben zum Beispiel in der Caritas überörtlich zu koordinieren.
Unser Beistand bleibe Gott, der für die monotheistischen Religionen nicht ein „nebulöses Überwesen“ sei, „sondern ein Gott, zu dem wir Du und Vater sagen können.“ Bode bat die Christen, gleich welcher Konfession, diesen persönlichen Gott zur Sprache und damit zur Welt zu bringen und gemeinsam auf ihn zu schauen, nicht empfindlich, sondern empfindsam.
Der Bischof schloss mit dem Wunsch: „Bewahren wir dieses Kleinod, … damit dieser Ort noch lange seine Kraft in seine Umgebung ausstrahlt.“ Vor Jahren sei es „eine gute und richtige Entscheidung gewesen, Neustadtgödens in die Pfarreiengemeinschaft zu nehmen.“ Mit Blick auf Johannes Ehrenbrink sagte Bode, für ihn sei klar gewesen: „Wenn wir diesen Dechant nehmen, dann klappt das gut.“
Ein Kompliment für die Festgäste hatte Bode auch: „Hier wurde so kräftig gesungen, wie ich das nicht einmal im Emsland erlebe.“
Nach Fürbitten, Wandlung, Kommunion und Segen trat eine glückliche und bewegte Maria Döldissen-Schlömer ans Mikrofon. Sie bedankte sich von Herzen bei allen, die die Festwoche in irgendeiner Weise mitgestaltet hatten. Die Vorbereitungen seien eine froh machende Erfahrung des starken Miteinanders vor Ort und in der Pfarreiengemeinschaft gewesen.
Für die evangelisch-lutherische Kirche gratulierte Pastorin Kerstin Tiemann. Sie hatte eine ganze Reihe an „Sympathisanten mitgebracht“ und schätzte munter: „Das halbe Zelt ist evangelisch“, denn aus Rücksicht auf das Jubiläum von St. Joseph waren an diesem Morgen die Gotteshäuser in Horsten und Gödens geschlossen geblieben: eine einmalig schöne Geste des Mitfeierns und der Ökumene.
Pastorin Kerstin Tiemann überreichte Johannes Ehrenbrink eine extra angefertige Fliese mit den beiden Kirchen – der evangelisch-lutherischen und der katholischen.
Herzlich gratulierte der Bürgermeister von Sande, Stephan Eiklenborg. Für ihn, so bekannte er, zähle weniger der Glaube und mehr, was man tue. Er schilderte, wie er vor wenigen Tagen einem Flüchtling aus Eritrea begegnet sei. Oft würden Eriträer nur angeschaut, darum habe er den Mann gegrüßt: „Hallo!“ Der Eriträer habe zurückgegrüßt: „Moin!“ So wachse ein Miteinander.
Der Bürgermeister von Friedeburg, Helfried Goetz, sprach von menschlichen Grenzerfahrungen und erklärte, Grenzen seien immer von Menschen gemacht und könnten daher auch von Menschen eingerissen werden. Sicher sei, dass es heute in Neustadtgödens kein Fest gegeben hätte, wenn nicht vor 300 Jahren Menschen bereit gewesen wären, Grenzen zu überwinden.
Blick in die gefüllte Kirche.
Nach dem Auszug der Geistlichkeit blieb der Bischof an der Pforte stehen und verabschiedete jeden Kirchbesucher mit Handschlag. Viele grüßten ihn mit einem freundlichen Wort: „Gute Predigt, Herr Bischof“, „Schönen Urlaub auch!“, „Nett, dass Sie gekommen sind.“
Segnend zog Diözesanbischof Franz-Josef Bode aus der Kirche aus.
Draußen war ein munteres Kommen und Gehen.
August Vornhusen, Pfarrer in St. Joseph von 1997 bis 2001, feierte mit.
Dann ging es zum Pfarreiengemeinschaftsfest ins Pfarrhaus; da gab’s Kaffee und Kuchen – oder ins große Zelt, wo ein riesiges Büffet herzhaften Duft verströmte, der zwischendurch schon die Kirche geflutet hatte. Alles war so durchdacht und großzügig aufgebaut, dass jedermann schnell an die Pötte kam.
Bald waren alle satt, flugs wurden die Tische mit den Warmhalteschalen abgebaut, und William Pugh, ein echter Schotte, konnte seine ausgebildete Opernstimme erschallen lassen, ehe er im Verbund mit Susan Preston, einer echten Irin, und mehreren Mädels, echte Friesinnen und echte Ostfriesinnen, Volkstänze darbot, in die das Publikum buchstäblich hineingezogen wurde. Lustig und munter wars.
Heißa Kathreinerle…
Auch das Publikum durfte mittanzen, hier Dekanatsjugendreferent Dennis Pahl in professionellen Händen.
Christiane Klein warf sich mit Siebenmeilenschritten munter aufs Parkett, während Herr Pugh sogar stehend tanzen konnte, wenn er Christiane von der richtigen Tanzabfolge überzeugen wollte.
Sie schauten lieber zu und hatten den gleichen Spaß wie die Tanzenden.
Noch mehr staunende Zuschauer.
Maria Döldissen-Schlömer bedankte sich bei Susan Preston und William Pugh. Der Schotte geizte nicht mit Küsschen.
Während drinnen im Zelt noch der Tanz-Schweiß rann, zog das Wetter nach und plästerte aus vollen Rohren. Doch Pfarrer Johannes Ehrenbrink hatte alles im Griff. Schnell hielt er einen Riesenschirm im Arm, als Franz-Josef Bode sich zu seinem Wagen auf den Weg machen wollte.
Kurz standen die beiden noch vor der jubilierenden Kirche, da beschwerte sich ein Gast beim Bischof: „Sie haben gesagt, dass es nicht regnet, wenn Sie da sind.“ Darauf Bode: „Wieso, ich bin doch schon weg.“
Dechant Johannes Ehrenbrink machte sich vorzüglich als Schirmherr für den Bischof.
Bei der Abschlussandacht – die Kirche war noch einmal gut gefüllt – dankte Pastor Carl B. Hack dem Höchsten für alle Bereicherung durch St. Joseph Neustadtgödens; und er dankte den Menschen, die zum guten Gelingen der ganzen großartigen Festwoche beigetragen hatten – in welcher Form auch immer.
Vor ihm in den Kirchenbänken saßen ausschließlich frohe Menschen. Der Pastor gab ihnen Gottes reichen Segen mit auf den Weg in den Alltag.