Peter Bard erlebt Geschichte hautnah

Dr. Peter Bard verbringt zwei Monate im ruandischen Kigali, um mit seiner Fachkenntnis einer in Not geratenen Tierarztpraxis zu helfen. Er erlebt Geschichte hautnah in einem „monströsen“ Museum.

Eine Woche der Besichtigungen: kleinere Museen, die über die Stadt verteilt sind, darunter das Richard-Kandt-Museum, die frühere Residenz des letzten Präsidenten – auch sie ist jetzt ein Museum, dann zentraler Platz und Kongresszentrum.

Richard Kandt (Kantorowicz) war wohl einer der ersten Deutschen, die sich Ende des 19. Jahrhunderts hier niederließen. Auf der Suche nach den Quellen des Nils erreichte er den Kivusee und fand heraus, dass durch diesen See wohl einer der Quellflüsse, der Weiße Nil, fließt.

An einem kleinen Ort gegenüber dem Berg Kigali, mit einer wunderschönen Aussicht auf die umliegenden Berge und ein Tal, ließ er sich ein Haus bauen (der Sitz des heutigen Museums). Das Museum wird in Partnerschaft mit der Uni Mainz betrieben, die Erklärungen sind daher in Deutsch und Englisch.

Er plante dort eine Handelsstation, sogar eine Eisenbahnstation war vorgesehen, so dass sich immer mehr Menschen ansiedelten und der Ort den Namen des Bergs übernahm.

Immer wieder faszinieren Dr. Peter Bard Kinder. Sie sind ein Lichtblick auch dann, wenn es in Museen monströs zugeht und Geschichte hautnah nachzuvollziehen ist.

Der Ort wurde zum ersten Stützpunkt der späteren Kolonie Deutsch-Ostafrika. Kandt nahm am Ersten Weltkrieg teil, wurde verletzt und starb 1916 in Deutschland. Interessant sind seine Schriften zur Frage des Kolonialismus, in denen er darauf drang, einfühlsam und nicht als Eroberer aufzutreten.

Die Residenz des Ex-Präsidenten bis 1994 ist heute Museum. Bei seiner Rückkehr von der Friedenskonferenz von Arusha 1994 stürzte seine Maschine kurz vor dem Anflug direkt neben seiner Residenz ab; mit ihm starb auch der Präsident des Nachbarstaats Burundi.

Die Trümmer liegen immer noch dort, bis heute ist nicht gewiss, ob das Flugzeug abgeschossen wurde. Sicher ist nur, dass ein Tag danach, am 5. April, die Massaker begannen, die zum monströsen Genozid führten.

Die Residenz enthält alles, was man sich an Annehmlichkeiten nur denken kann: Swimmingpool, Tennisplatz, Freiluftbar, eigenes Becken für seine Privatschlange (die am Tag seines Todes verschwand), luxuriöse Einrichtung mit Marmorbädern (23 !), elfenbeinbelegte Schränke und Türen, Edelholzdecken und Möbel, vergoldete Armaturen, eigene Räume für den privaten Schamanen (er war bekanntermaßen abergläubisch), Geheimtüren für Fluchtwege und Waffenkammer, sensorgesicherte Treppen und beschwörende Schnitzereien an der Türe seiner Privatkapelle (er war Katholik).

Der Architekt, der das Gebäude geplant hatte, wurde kurz nach Fertigstellung ermordet, er wusste wohl zu viel.

Die Kleinen sind neugierig wie viele Kinder auf der Welt.

Der Präsident war Hutu und mit Sicherheit mitverantwortlich für die nachfolgende Katastrophe. Gewissheit wird man wohl erst bekommen, wenn Frankreich, das damals mit Belgien für seine Sicherheit verantwortlich war, seine Archive öffnet. Ein beklemmender Besuch.

Das Kongresszentrum liegt auf einem der Hügel mit wunderschöner Aussicht auf die Stadt. Hypermoderne Architektur mit großem (und teurem) Hotel, Shoppingmall, Parkanlage. Die Kuppel nachts in den Landesfarben Grün, Gelb, Blau beleuchtet, so dass man den Eindruck bekommt, sie würde rotieren. Sehenswert.

Ansonsten geht es mir gut: unter der Woche Fortbildungsarbeit mit zwei jüngeren Tierärzten und Betreuung der klinikeigenen Hunde, gedacht als Zuchthunde: Schäferhunde und Labrador. Heute, Spätnachmittag, Kirchgang in einer naheliegenden, sehr großen katholischen Kirche.

Sonntags werden drei Messen gelesen, alle voll besucht, in Englisch, der Landessprache, und Französisch. Auch hier ein Chor mit sehr schönen Liedern, allerdings weniger „volksnah“ wie zuletzt in der anglikanischen Kirche.