Reisetage 7 und 8: Munter aus Vulkaneifel zurück
Alle Trier-Reisenden sind Montag gesund, munter und auch ein bisschen müde zurückgekehrt. Busfahrer Thomas brachte sie in Rekordzeit heim. Beleuchten wir noch einmal den siebten Tag und sagen Dank.
Nach den Vulkanausbrüchen im Mendiger Lava Dome am jüngsten Sonntag folgten die Reisenden in zwei Gruppen ausgemachten Vulkanexperten in die Unterwelt. Diese Unterwelt ist echt, und sie hat mit dem Ausbruch des Maria-Laach-Vulkans vor 13.000 Jahren zu tun.
Aufsteigendes Magma geriet damals in Berührung mit Grundwasser. Es gab gewaltige Wasserdampfexplosionen. Sie rissen einen Erdtrichter auf. Der Dampf schoss in die Höhe. Im Kessel verringerte sich der Druck, Gas konnte sich urplötzlich ausdehnen und katapultierte alles nach oben, was in die Quere kam.
Die Schubkraft war ungeheuer. Massen an Asche und Bims wirbelten 30.000 Meter hoch in den Himmel und regneten auf weite Teile Mitteleuropas nieder. Nach wenigen Tagen ließ der Gasdruck nach. Die Asche- und Bimssäule kollabierte. Ascheklumpen, Bims und Gesteinsbrocken krachten nach unten. Sie ergossen sich mit einem Lavastrom als glühende Lawine in die Landschaft; die erreichte auch das heutige Mendig und erstickte unter einer gewaltigen Schicht alles Leben.
Landschaft und Natur erholten sich. Der Mensch siedelte sich an und entdeckte die unterirdischen Lavavorkommen. Genau da, wo sie eine Vielzahl an Stollen und Schächten anlegten und das kostbare schwarze Baumaterial als Basaltlava abbauten, waren die Ostfriesen Sonntag zu Gast.
Die Ostfriesen wollten tief hinunter in die Erde. Da noch immer Brocken und Bröckchen aus den Hallendecken fallen, zogen sie sich erst einmal gelbe Baustellenhelme auf. Zuvor hatten sie sich bereits organgefarbene Netze übers Haupt gestreift, damit die Schuppen und Haarteile derer, die die Helme zuvor getragen hatten, nicht mit den Schuppen und Haarteilen auf dem eigenen Schopf durcheinander geraten konnten.
Über 148 Stufen stiegen sie in die Erde und entdeckten mit Hilfe ihrer Vulkan-Experten diese einzigartige Welt historischer Lavakeller in einer Tiefe von 32 Metern für sich.
Die Arbeit muss eine einzige Schinderei gewesen sein. Frauen und Kinder gruben die Zugänge, Männer lösten in schwerster Knochenarbeit Basaltlava aus dem Berg. Genutzt wurde er als Baumaterial und für Mühlsteine. Sie wurden im Ganzen aus dem Berg geschnitten und waren so schwer, dass sie bereits im Stollen fertiggestellt wurden, um über die Winden nicht zu viel Material ans Licht schleppen zu müssen.
Wenn Kinder mittags ihren Vätern im Henkelmann tief unten das Essen gebracht hatten und die Männer im schwachen Petroleumschimmer die karge Kost verspeisten, räumten die Kleinen Gesteinsbrocken zur Seite, die von Decken und Wänden gefallen waren.
Im Lauf der Jahre entstand ein Netz von Stollen und Schächten mit einer Fläche von rund drei Quadratkilometern. Tief unten herrscht bis heute ziemlich konstant eine Temperatur von sechs bis neun Grad – im Sommer ebenso wie in kältesten Wintern. So suchten Menschen bei eisigem Frost die Keller auf. Hier war es „warm“ und trocken. Zumindest ziemlich trocken, wie Vulkanexpertin Nicole Lawer ihrer Gruppe erkärte.
In Mendig kann ein einziger Regenguss denselben Menschen zweimal treffen. Wenn Nicole Lawer bei Niederschlag ohne Schirm vor ihre Haustür tritt, wird sie nass. Steigt sie 14 Tage später in die Unterwelt, hat sich der Regen Wege durch die Gesteinsmassen gesucht und tröpfelt nieder.
Die natürliche Klimatisierung der Keller lockte ein weiteres Gewerbe an. Vor 150 Jahren siedelten sich immer mehr Brauereien an, die die niedrigen Temperaturen für Gärkeller und Bierlagerung nutzten. 28 Betriebe waren es am Ende. Erst als der Hochschullehrer, Ingenieur, Erfinder und Unternehmer Carl Paul Gottfried Linde die Kühltechnik revolutionierte, blieben die Brauereien lieber an der komfortableren Erdoberfläche.
Die unterirdischen Hallen verwaisten nach und nach. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kippten Bürger ihren Siedlungsmüll in die Stollenöffnungen.
Zehntausende von Fledermäusen flitzen heute in ihrer Saison durch die düsteren Gänge, die eine köstliche Kulisse für schaurig-schöne Filme – und für ein Standesamt – sind.
Das erste seiner Art war in einer Halle eingerichtet, die Höhlenmalereien zeigt, allerdings keine alten Zeichnungen, sondern ziemlich moderne. Als schließlich wiederholt Brautfrisuren von herabrieselndem Steinwerk bombardiert wurden, verlegten die Verantwortlichen das Standesamt lieber in einen anderen Saal.
Ansonsten dienen die unterirdischen Gewölbe nur noch dem Tourismus – und vielleicht irgendwann wieder der Wissenschaft: In einem Pilotprojekt erforschen Chemiker und Ingenieure in Minden alte Deponien. Ihre Vermutung: Das könnten Goldgruben sein, denn bis vor wenigen Jahrzehnten steckten Menschen so gut wie alles in die Tonne. Auch Elektroschrott und Mineralstoffe kamen auf die Kippe. Das Material könnte gewinnbringend recyceld werden. Der Wert der Kippen-Ware wird auf über 55 Milliarden Euro allein in Deutschland geschätzt. Die Bürger von Mendig sollten ihre unterirdisch lagernden Müll also pfleglich behandeln.