Schriftstellerin las im Bonihaus die Leviten
Der Abend fing schon gut an. Die Nerven der Schriftstellerin Andrea Schwarz, Hauptperson des Neuauwiewitt-Abends „Der Glaube im Gespräch“, spannten sich bei ihrer Anreise stärker als gewöhnlich.
Für die 80 Kilometer aus dem emsländischen Steinbild ins ostfriesische Aurich brauchte sie fast zwei Stunden.
Die letzten Meter gaben noch einmal alles. Fischteigweg gesperrt. Also weiter geradeaus. Navi-Empfehlung: nächste Straße links. Ups, das war die Tiefgarage. Keine Wendemöglichkeit. Letzter Auslass: 20 Uhr. Da, so rechnete Schwarz, wäre sie gerade mitten im Gespräch. Mit diesen knappen Informationen im Sinn eilte sie ins Bonihaus.
Klar, ein Hinweis an sie über die Sperrung wäre hilfreich gewesen.
Doch schnell hatte Pfarrgemeinderatsvorsitzende Beate Eggers den Gast ins Parkhaus und zurück ins Bonihaus gelotst. Der Abend nahm rasant Fahrt auf.
Die 60-jährige Schwarz hielt sich nicht ganz an die Bitte von Beate Eggers, sich in drei Sätzen vorzustellen. Denn mit ihrer Selbstbeschreibung war die christliche Autorin und pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück schon mitten im Gespräch.
Sie erzählte von eigenen Erfahrungen und sagte: „Wir können nicht versuchen, für andere Erfahrungen anzubieten.“
Wenn z.B. Vertrauen und Versöhnen nur gepredigt, im Alltag in den Familien, bei Freunden und in den Gemeinden aber nicht gelebt und erfahren würden, bleibe das Gehörte hohl und ohne Wirkung. Es komme darauf an, „Gott mitten im Alltag zu erfahren. Da kommt er zu Wort. Nicht in einer Stunde Gottesdienst!“
Alltag sind für Andrea Schwarz immer wieder kleine und große Zustände, Ereignisse und Erlebnisse: Tulpen im Winter, Wildgänse am Himmel, ihr Schrei, ihr Flug und ihr Flügelrauschen oder ein Sonnenuntergang. „Hinschauen muss ich schon selbst.“
Sie trug aus ihren Büchern Geschichten vor, die belegen, wie sehr Andrea Schwarz staunen und neugierig schauen kann (dazu lud sie ausdrücklich die Anwesenden ein).
Die Geschichten handeln von alltäglichen Kleinigkeiten und öffnen den Blick auf tiefere Einsichten. Je intensiver und häufiger man schaue, staune und wahrnehme, desto intensiver und häufiger öffne sich dieser Blick.
Das sei wie beim Kochen. „Je häufiger man kocht, umso freier wird man.“
Übung macht den Meister – auch beim Beten, Bibellesen und Bibelauslegen.
Andrea Schwarz zitierte den amerikanischen Franziskanerpater und Buchautor Richard Rohr: „Wenn man lange genug bei Gott rumhängt, färbt der Typ auch irgendwann ab.“
Das hat allerdings noch nicht jeder mitbekommen. Die Autorin erzählte von einem Geistlichen, der statt einer Predigt im Sonntagsgottesdienst den Katechismus vorstellen wollte.
Schwarz hat einen anderen Anspruch an Predigten: „Menschen müssen nach einer Predigt getröstet sein. Sie müssen Mut für den Alltag gefasst haben.“ Denn viele kämen anschließend in ihren schweren Alltag zurück.
Doch oft, das ist die Erfahrung von Andrea Schwarz, erleben Gläubige ihre Kirche eher als Institution oder Verein, in dem man eine Mitgliedschaft erwirbt; die Aufgabe besteht darin, sonntags in einem Gottesdienst anwesend zu sein; so erwirbt der Gläubige das Recht, Gott bis zum folgenden Sonntag aus dem Programm zu streichen.
Mit der mystischen Erfahrung, Gottes Liebe zu spüren, habe das nichts zu tun.
Da helfe vielfach auch Kirche nicht weiter. Andrea Schwarz parodierte mit Witz und Kniep-Auge manchen pastoralen Mitarbeiter, der mit salbungsvoller Stimme Frommes in die Runde wirft – und doch nichts Wesentliches sagt.
Der „Liebe Gott“ sei kein lieber Gott. Wir lebten nicht in einer heilen Welt, wie frommes Gerede Gläubigen manchmal weismachen wolle.
Die Schriftstellerin sprach über die Naivität von Kindern, die an den lieben Gott glaubten. Doch irgendwann werde dieser Glaube bei den meisten erschüttert. Mitunter gehe er ganz verloren; und mitunter finde der Mensch durch die Dunkelheit durch und sage wieder „Ja“ zu Gott.
Menschen auf diesem Weg oder in ihrem ganz normalen Alltag konkret zu begleiten, das spende Trost. Dann sei es gut, sagen zu können, „welche Hoffnung mich erfüllt“ und selbst Zeuge der Hoffnung zu sein. Dann könnten wir wie Jesus „als Mensch zu den Menschen gehen“ und ihre Suche, Sehnsucht, Trauer, Sorge, Verzweiflung oder Freude miterleben.
Genau das sei die Liebe Gottes, der uns zugesagt habe: Ich bin der „Ich bin da“. Einfach für andere dazusein und ihren Alltag mitauszuhalten, das reiche aus.
Die Schriftstellerin ermunterte die Anwesenden, als Hoffende mit mehr Leichtigkeit unterwegs zu sein, schließlich sei unser Bezugspunkt Gott, der „Ich bin da“.
Ein Beispiel für diese Leichtigkeit gab sie auch. Sie schilderte die vergeblichen Einparkversuche einer Ordensschwester in eine Parklücke. Längst hatte sich hinter ihrem Wagen eine Schlange gebildet. Ihr Hintermann drückte immer wieder und zunehmend aggressiv auf die Hupe. Die Schwester versuchte es tapfer weiter. Der Mann hupte weiter. Schließlich fand die Schwester, dass es an der Zeit sei, ihr Unvermögen einzusehen, sie stieg aus, ging auf den Krachschläger zu und sagte: „Wenn Sie meinen Wagen einparken, drücke ich so lange für Sie auf die Hupe.“