Maria – Hilfe der Christen Wiesmoor
Beim ersten Anblick wird mancher Betrachter mit dem Altarbild in der Wiesmoorer Pfarrkirche nicht allzu viel anfangen können. Das Wort „Raumzeit“ hilft anfangs auch nicht weiter, einen Sinn zu erkennen.
Das Altarbild von Wiesmoor, „Raum-Zeit“ von Ruth Landmann, 1975.
Wir leben ein ganz kleines bisschen in Raum und Zeit, gemessen an der Fläche der Erdkugel und an der Länge der Weltgeschichte. Die Raumzeit beginnt mit dem Alpha und endet mit dem Omega, dem Anfangs- und Endbuchstaben des griechischen Alphabetes. Diese Buchstaben kennen wir von der Osterkerze und bekennen mit deren Weihegebet: Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Dieses Bekenntnis stellt uns die Künstlerin Ruth Landmann aus Osnabrück bildhaft vor Augen. Sie unterteilt die Geschichte der Erde, angeregt durch den Theologen und Naturwissenschaftler Teilhard de Chardin, in zwei Zeiträume, dargestellt durch zwei Rundflächen, die ineinander greifen.
Der erste Zeitraum malt die Entwicklung der Erde aus. Das Dunkelbraun weist auf das Festwerden der Erde, das Grün auf die Entwicklung des Lebens, auf Abbrüche und Neuanfänge. Zerfall und Fortschritt lösen einander ab. Höhepunkt der Entwicklung ist der Mensch. Er ist sich seiner bewusst. Er strebt nach Freiheit. Er will über sich und die Natur hinaus. Er nimmt teil am Aufbau, aber auch an der Zerstörung des Lebens. Er stößt an Grenzen.
Seine Begrenztheit sprengt Gott selber auf. Gott wird Mensch, geboren von der Jungfrau Maria. Dies zeigt uns die Künstlerin im kleinen Kreis im Schnitt der beiden großen Flächen. Christus führt die Menschheit in einen neuen Zeitabschnitt ein, der Vollendung entgegen, die sie selbst aus eigener Kraft nicht erreichen kann.
Ein Licht durchstrahlt den neuen Raum. Feuerflammen dringen überall hin. Es ist das Feuer des Geistes Gottes. Der pfingstliche Gebetsruf: „Sende aus Deinen Geist, und alles wird neu geschaffen. Und du wirst das Angesicht der Erde erneuern!“ drückt aus, was wir sehen. Christus ist Licht für die Gegenwart. Das wird uns deutlich durch das Brot, das er uns bricht, und durch die anderen sakramentalen Zeichen seines Mit-Uns-Seins, durch Menschen, in denen wir seinen Geist am Werke sehen. Er nimmt uns hinein in die Wandlung, die in der Ewigkeit Gottes ihre Vollendung findet. Hier geschieht Evolution von Gott her zum Heil der Menschen.
Angeregt vom Feuer des Heiligen Geistes bilden Menschen ein Miteinander. Zugleich aber greift Zersetzung und Zerstörung über und will den Zusammenhalt aufspalten und aufreiben. Die schwarzen Flecken bilden Krater oder Geschwülste, löschen aus, was sich entfalten möchte. Wir finden sie schon im vorigen Zeitraum vor, jetzt aber noch schlimmer und gefährlicher.
Die Macht, die das Ende will und sich so gegen eine Vollendung stemmt, wirkt sich am Kreuz aus. Doch hier bricht sich ihre Gewalt. Hier kommt es zu einer endgültigen Entscheidung zwischen Gut und Böse, für Gott oder gegen Gott, für Christus oder gegen Ihn. Seinen Tod stellt die Künstlerin Ruth Landmann in der Farbe des Lichtes. Hier siegt das göttliche Leben. Hier ist Auferstehung. Das Kreuz tut uns das letzte Rund auf, in dem das ewige Leben wahr wird: die Umwandlung des Menschen zur Gemeinschaft mit dem Schöpfer.
Das Kreuz gibt der roten Straße den Weg frei, die Anfang und Ende, Alpha und Omega miteinander verbindet. Wie ein roter Faden durchzieht sie die ganze Entwicklung. Wie eine Schlagader ist sie durchströmt von göttlichem Leben, göttlichem Geist. Von Anfang an steht der Mensch in Verbindung mit Gott. Um diese Achse sammelt sich, was der Endlichkeit trotzt, was zur Vollendung drängt. Durch die Teilnahme an Christi Kreuzesopfer gelangt die Schöpfung zu ihrer Auferstehung in Gott.